119 - Satanische Klauen
ersten Drittel setzte er den Blinker und bog nach
rechts ab.
So jedenfalls sah es Josephine Bandelle in
ihrem Rückspiegel.
Was sie nicht mitbekam, war die Tatsache, daß
X-RAY-3 wendete, sämtliche Autolichter löschte und mit unbeleuchtetem Wagen auf
schlechtester Wegstrecke dem Peugeot folgte.
Diese Art zu fahren strengte kolossal an.
Larry richtete sich nach den kleinen roten Rücklichtern des Peugeot und mußte
gleichzeitig auf die schmale Straße achten.
Er mußte zusätzlich noch etwas tun. Für
entgegenkommende und überholende Fahrzeuge war er eine Gefahr. Sie sahen ihn zu
spät.
In höchster Anspannung saß er hinter dem
Steuer und hoffte nur, daß die Straße frei blieb. Denn in dem Moment, da er ein
fremdes Fahrzeug wahrnahm, blieb ihm nichts anderes übrig, als sofort die Lichter
einzuschalten. Damit hätte er sich verraten und müßte umkehren.
Aber er schien Glück zu haben.
Josephine Bandelle fuhr nicht sehr schnell.
Dann kam die Kurve, in der gestern abend die
Puppe gelegen hatte.
Alles wurde wieder in ihr lebendig. Es war
zum Verrücktwerden.
Leiser Nieselregen fiel. Die Straße war
feucht. Stimmung und Situation waren wie gestern.
Die Scheinwerfer stachen wie Geisterfinger in
das Dunkel.
Josephine Bandelle sah sich im Wagen um. Alle
Knöpfe waren gedrückt, die Fenster geschlossen. Die Türen ließen sich nicht von
außen öffnen.
Sie zog den Wagen nach innen in die Kurve
hinein und - schrie auf.
Vor ihr auf der Straße - genau an der
gleichen Stelle - lag wie gestern - die Puppe!
Diesmal hielt sie nicht an.
Sie gab Gas, riß das Steuer herum, umfuhr die
Stelle und raste in die Nacht.
Ihre Lippen zuckten, ihre Augen waren vor
Schreck geweitet.
Jedes Detail hatte sich ihr eingeprägt.
Ein rotes Kleid, das glockig fiel und dessen
Saum von einem dunkelblauen Streifen eingefaßt war. Aus der gleichen blauen
Farbe war das Jäckchen gestrickt, das die mindestens einen Meter hohe Puppe
anhatte.
Irgend jemand wollte etwas von ihr. Die Puppe
lag nicht seit gestern abend dort. Heute morgen, als Josephine die Strecke nach
Carcassonne gefahren war, hatte die Straße leer vor ihr gelegen.
Jemand lauerte ihr auf, jemand beobachtete
sie und wußte genau, wann sie hier vorbeikam.
Was wollte dieser Jemand von ihr?
●
Larry fiel der plötzlich sich ändernde
Fahrstil der Geschäftsinhaberin auf.
Sie hatte plötzlich einen Bogen um etwas
gemacht.
X-RAY-3 starrte nach draußen. War hier die
Stelle, an der sich vor vierundzwanzig Stunden die makabre Begegnung abgespielt
hatte?
Die Frau machte einen Bogen, wurde schneller -
als läge ein Hindernis im Weg.
Aber die Straße war doch frei.
Er mußte beschleunigen, um den Peugeot nicht
aus der Sicht zu verlieren. Er holte wieder auf.
Was war nur mit Josephine Bandelle los? Ihre
halsbrecherische Fahrweise auf dieser Strecke konnte böse Folgen haben.
Es war doch nichts gewesen, nicht das
geringste...
Brent hätte anders darüber gedacht, wenn er
Licht gemacht hätte.
Außer den glimmenden Rücklichtern sah er
nicht viel von dem vor ihm her rasenden Wagen.
Wäre das Licht seiner Scheinwerfer auf das
Heck des Peugeot gefallen, hätte er keine Rätsel zu lösen gehabt.
Dort, auf der Stoßstange, hockte die
unheimliche Puppe.
●
Josephine Bandelle fuhr in die Garage ein,
lief durch die Verbindungstür in das Haus, drückte sie sofort wieder zu und
stand in dem schummrigen kleinen Flur, von dem aus Marmorstufen in die
Wohnhalle führten.
Sekundenlang verharrte die Geschäftsfrau
hinter der Tür, atmete tief durch.
Das Gefühl, beobachtet und verfolgt zu
werden, wich langsam einem Gefühl der Sicherheit.
Hier im Haus war es still. Es duftete nicht
so verführerisch wie gestern abend. Sie war allein. Aber Claude würde bald nach
Hause kommen.
Rasch lief sie die Stufen empor. Ihre Absätze
klapperten auf dem harten Boden.
Am Ende der Treppe fiel um die Ecke ein
Schatten, lang und breit. Das Ding, das ihn warf, wurde von hinten angestrahlt.
Josephine beugte sich vor und sah das Ding - eine Gestalt, nicht höher als
einen Meter - rotes Kleid mit blauem Saum - blaue Strickjacke
...
Die Puppe!
„Töte mich! Ich bitte dich - töte mich!“
flehte eine heisere, gequälte Stimme. Josephine Bandelles Haare sträubten sich.
Es war eine dunkle, unangenehme Männerstimme.
Sie kam aus dem Mund der Puppe.
●
Das war zuviel für ihre Nerven.
Sie spürte, daß sie schrie. Aber sie hörte
den eigenen Aufschrei nicht. Sie
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