1190 - Die stählerne Spinne
genug. Der Korridor beschrieb eine scharfe Krümmung. Damit nicht genug: Unmittelbar hinter der Krümmung begann rechter Hand eine Rampe, auf die der Anführer die Wanne steuern wollte. Er hieb auf die Kontrollen und gab dabei spitze, schrille Schreie der Frustration von sich. Das Fahrzeug reagierte auch schließlich, aber nicht in der gewünschten Weise. Es war schon etliche Meter an der Auffahrt der Rampe vorbeigeglitten, da endlich wandte es sich nach rechts.
Gleichzeitig nahm es Fahrt auf. Leo Dürk sah das Unvermeidliche kommen, aber nicht mehr rechtzeitig. Sein Griff zum Wannenrand, der ihm Halt verschaffen sollte, landete in rostzerfressener Materie, die unter dem Druck der Finger zerkrümelte. Mit blechernem Krach stieß der Bug der Wanne gegen die Rampe. Leo fühlte sich aus dem Sitz gehoben. Er kugelte in hohem Bogen über den Paria-Führer hinweg, erinnerte sich in der letzten Zehntelsekunde noch daran, daß es in solchen Situationen den Kopf einzuziehen galt, und prallte mit vorgereckter Schulter gegen ein unsäglich hartes Hindernis. Benommen stürzte er zu Boden.
Als er sich ein paar Augen später mit einiger Mühe wieder aufrichtete, lagen die Parias rings um ihn verstreut - einige bewußtlos, ein paar mit viel Wimmern und Schnattern soeben wieder auf die Beine kommend. Die Wanne lag mit eingedrücktem Bug am Boden, und neben ihr stand der große Arachnide, der Anführer des Trupps, und hielt den Lauf seiner Waffe auf Leo Dürk gerichtet. Der Waffenmeister streckte die Arme zur Seite hin aus, um seine Friedfertigkeit zu beweisen, und erklärte: „Keine Sorge. Ich habe nichts im Sinn, was euch gefährlich werden könnte."
Die Bewußtlosen blieben liegen, ebenso wie das Wrack der Wanne. Die übrigen, soweit sie sich noch auf wenigstens vier Beinen halten konnten, wurden vom Führer der Gruppe mit barschen Befehlen aufgefordert, sich in Bewegung zu setzen. Leo Dürks SERUN hatte den Unfall unbeschädigt überstanden. Er wurde weiterhin von zwei Arachniden getragen. Es ging die Rampe hinauf. Leo Dürk begann von neuem zu schwitzen. Aber er begriff jetzt, warum in den Gängen und Hallen von Torquantuurs Festung keine Fahrzeuge zu sehen waren. Die Technik der Netzparias funktionierte nicht mehr. Die Zeichen des Verfalls waren mehr als nur oberflächlich - sie reichten bis ins Mark der Technologie, deren Produkt dieses gewaltige Gebilde am Rand des Loolandre war.
Leo Dürk verzeichnete es mit Erleichterung: Die Rampe war das letzte Hindernis, das er zu überwinden hatte. Sie mündete auf einen breiten, von gelblichem Licht erfüllten Gang, der sich in sanfter Rundung um eine geschwungene, von hohen Portalen durchbrochene Wand zog. Hier wirkte alles sauber und aufgeräumt, und die Spuren des Zerfalls waren nur für denjenigen sichtbar, der wußte, wo er nach ihnen zu suchen hatte. Es war offenbar, daß man sich hier im Zentrum der Festung befand. Die Portale führten in den Raum, von dem aus Torquantuur regierte.
Leo Dürk sah seine Vermutung bestätigt. Er wurde durch einen der Torbogen geführt.
Drinnen, in einer riesigen Kuppelhalle, herrschte gedämpftes, rötliches Licht, noch um etliche Nuancen weniger intensiv als die gelbliche Beleuchtung des Rundgangs. Seine Augen hatten Mühe, sich an das Halbdunkel zu gewöhnen. Er sah die Gestalten zahlreicher Arachniden. Er sah zum ersten Mal solche, die über dem grauen Pelz eine Art Bekleidung trugen - bunte Stofffetzen, die wenig bedeckten (wobei Leo Dürk allerdings eingestehen mußte, daß er nicht wußte, ob es bei den achtbeinigeh Wesen überhaupt etwas zu bedecken gab) und vermutlich als Rang- und Amtsabzeichen füngierten. Er bemerkte auch, daß in der Mitte des kreisrunden Raumes sich ein podestähnliches Gebilde erhob, das von besonders vielen Parias umschwärmt wurde.
Aber dann sah er etwas, was alles andere vorläufig unwichtig erscheinen ließ.
Zwanzig Schritte vor dem Podest, halbkreisförmig von bewaffneten Bewachern umgeben, stand Clifton Callamon. Er wirkte unverletzt. Als er Leo Dürk erblickte, hob er den Arm zu einem winkenden Gruß, und dabei flog ein halb spöttisches, halb freundliches Lächeln über seine Züge.
3.
Leo Dürk wollte auf den Admiral zugehen, aber seine Bewacher stellten sich ihm in den Weg.
Kontakt zwischen den Gefangenen war noch immer nicht erwünscht. Leo wurde vorwärts bugsiert, auf das Podest zu. Er sah, daß auf der Höhe des Podiums eine Art Schemel stand, mit einem silbern leuchtenden Polster
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