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1193 - Das Templerkind

1193 - Das Templerkind

Titel: 1193 - Das Templerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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diesen provozierenden Satz gewählt.
    Clarissa reagierte darauf nicht. Zuerst nicht. Dann aber hatte sie doch eine Antwort gefunden. »Das kann man so nicht sagen, John. Wirklich nicht.«
    »Wieso das denn?«
    »Es ist so.«
    Ich ließ nicht locker. »Kennst du deine Eltern etwa? Das wäre ja super.«
    Sie hob die Schultern, schmunzelte dabei, und meine Neugierde wurde nicht eben geringer.
    Wir hatten das Waldgelände hinter uns gelassen. Ich hielt an der Einmündung der Straße an. »Eigentlich warte ich noch immer auf eine Antwort von dir, Clarissa.«
    Sie schaute auf ihre Fingernägel. »Ich möchte noch irgendwohin«, sagte sie plötzlich.
    Der Wunsch überraschte mich. »Tja, es kommt darauf an, wie weit es von hier ist und…«
    »Nicht sehr weit. Ich will Abschied nehmen.«
    »Von einem Freund oder einer Freundin?«
    »Hm… kann man so sagen.«
    »Ist es weit von hier?«
    »Nein, nur ein paar Minuten mit dem Auto. Aber nicht in Richtung Le Havre.«
    Ein paar Minuten nur. Wenn es stimmte, konnte ich mir diesen Umweg erlauben. Außerdem war ich begierig zu erfahren, wen Clarissa als Freund oder Freundin besuchen wollte. Normal war das für mich nicht, denn normalerweise war sie eingeschlossen hinter den Mauern des gefängnishaften Heims. Da kam man gar nicht auf die Idee, dass sie einen Freund oder eine Freundin hatte.
    »Darf ich, John?«
    »Alles klar.«
    »Danke, das ist toll.« Sie freute sich wie jedes Mädchen in ihrem Alter. Für mich wurde das Geheimnis um Clarissa nicht eben kleiner. Sie sprach überhaupt nicht von dem, was hinter uns lag. Als hätte es für sie das nicht gegeben.
    Ich fuhr in die andere Richtung und hatte auch das Gefühl, keinen Fehler begangen zu haben. Es lag durchaus im Bereich des Möglichen, dass Clarissa von Dingen wusste, die mir bisher verborgen geblieben waren. Und warum sollte ein Mädchen wie sie keine Freunde haben, auch wenn es im Heim wohnte? Aber ich konnte mir vorstellen, dass es bei Clarissa besondere Freunde waren.
    Wir verließen den Bereich der Dünen und der Küstennähe nicht. Ich sah ein Hinweisschild, auf dem der Ortsname Fécamp abgedruckt war, und fragte: »Müssen wir bis dorthin?«
    »Nein, nein, so weit nicht.«
    »Wo wohnen deine Freunde denn?«
    Clarissa verschränkte die Hände hinter ihrem Kopf. »Das ist nicht so einfach zu sagen, John. Sie wohnen wirklich sehr, sehr einsam und sind auch ziemlich allein.«
    »Sind sie in deinem Alter?«
    Clarissa reagierte wie ein albernes Mädchen. Sie kicherte, dann presste sie ihre Hand gegen den Mund. »Nein, überhaupt nicht. Das sind sie nicht. Aber sie sind etwas Besonderes.«
    »Da bin ich aber gespannt.«
    »Darfst du auch sein.«
    Ich folgte weiterhin dem Verlauf der Straße. Der Betrieb war nach wie vor recht mäßig. Überholt wurden wir nicht, und auch der Gegenverkehr hielt sich in Grenzen.
    »Du musst etwas langsamer fahren, denn wir müssen gleich ab in die Dünen.«
    »Ho, bis zum Meer?«
    »Fast.«
    »Okay, Madame, wie Sie wollen.« Clarissa hatte sich nicht wieder verändert. Sie wirkte locker, sogar fröhlich. Eigentlich wie ein Mensch, der sich auf etwas ganz Bestimmtes freut.
    Ich war auf ihre Freunde gespannt. Es hätten Kinder sein müssen, aber mir kam eher der Verdacht, dass dem nicht so war. Sie selbst konnte ich als ungewöhnlich ansehen, als eine Person, die nie den Weg eines normalen Kindes gegangen war. Deshalb war auch vorstellbar, dass mich ihre Freunde überraschen würden.
    »Der Weg ist sehr schmal, John.«
    »Alles klar.« Ich gab mehr Acht und entdeckte ihn dann tatsächlich. Es war ein nur schmaler Streifen, der in die karstigen Dünen schnitt, auf denen das Gras wuchs, das der Wind bewegte. Aber er führte nicht bis zum Meer hin, sondern endete auf einer freien Fläche, die sicherlich im Sommer als Parkplatz benutzt wurde. Der Holzkiosk stand bestimmt nicht grundlos dort.
    Sein Zugang war mit Holzbohlen verrammelt worden, und ich stoppte den Wagen in seinem Schlagschatten.
    »Alles klar?«
    »Besser könnte es nicht sein, John.«
    »Da bin ich zufrieden.«
    Clarissa hatte es jetzt sehr eilig. Sie war schon vor mir aus dem Wagen gestiegen und wartete an der Kühlerhaube auf mich. Sie drehte mir den Rücken zu und schaute in die vor uns liegende, wellige Dünenlandschaft hinein.
    Ich ließ mir Zeit und schaute mich um. Über uns war die Wolkendecke an einigen Stellen aufgerissen, aber nicht so weit, dass helles Licht hindurchfluten konnte. Das Grau überwog noch immer. Der Wind

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