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1193 - Das Templerkind

1193 - Das Templerkind

Titel: 1193 - Das Templerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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nur ein dunkler Schleier, der auch ebenso gut eine Einbildung hätte sein können, aber das veränderte sich, denn der Schleier bekam Form, und ich sah die menschlichen Umrisse.
    Geister? Gestalten aus einer Zwischenwelt? Dem Jenseits? Ich erinnerte mich daran, dass Clarissa von Besuchern gesprochen hatte. Jetzt ging ich davon aus, dass auch ich diese Besucher zu Gesicht bekommen hatte.
    Das mussten sie einfach sein!
    Ein Laut erschreckte mich. Clarissa hatte ihren Koffer fallen gelassen. Sie wollte beide Hände frei haben, um nach den schwebenden Gestalten greifen zu können. Dazu musste sie einige Schritte zur Treppe laufen, und ich blieb ihr auf den Fersen.
    In meinen Ohren gellte für einen winzigen Augenblick ein geisterhaftes Schreien auf, dann war dieser Laut verschwunden und die Gestalten auch.
    Clarissa fasste ins Leere. Sie war enttäuscht. Mit gesenktem Kopf taumelte sie vor. Ich befürchtete, dass sie den Beginn der Treppe übersehen konnte und zog sie deshalb zurück.
    Sie fiel rücklings gegen mich. Für einen Moment lehnte sich das Mädchen an mich, dann drehte es sich und ging wieder los auf die Treppe zu.
    Vor der obersten Stufe blieb sie stehen und schaute nach unten. Ich hatte ihren Koffer wieder angehoben und baute mich an ihrer rechten Seite auf.
    Auf der Treppe war nichts zu erkennen. Selbst der Rauch floss nicht in die Tiefe. Er blieb hinter uns. Als ich mich drehte, da stellte ich fest, dass er sich zum größten Teil verflüchtigt hatte. Was jetzt noch durch den Gang schwebte, war nicht mehr als eine Erinnerung.
    Auch das Kreuz glühte nicht mehr. Als Klumpen hing es an der Wand. Ich dachte daran, dass es schon einer verdammt starken Kraft bedurft haben musste, um so etwas zu schaffen. Diese Kraft steckte in Clarissa Mignon, einem zwölfjährigen Mädchen. Indirekt konnte ich Clarissa auch für den Tod der Heimleiterin verantwortlich machen, denn der Befehl dazu war von dem Kind gekommen.
    Wenn auch auf eine außergewöhnliche Art und Weise.
    »Was möchtest du?« sprach ich sie leise an. »Willst du hier an der Treppe warten?«
    »Nein, wir wollten doch fahren.«
    Beinahe hätte ich gelacht. Das war wieder genau ihre normale Stimme gewesen, die mir geantwortet hatte. Als wäre zwischendurch nichts passiert.
    Ich konnte es kaum fassen. Clarissa hatte auch nichts dagegen, dass ich ihre Hand anfasste. So schritten wir wie Vater und Tochter die Stufen der Treppe hinab, um dieses düstere Haus zu verlassen. Nur hatte ich nicht vergessen, was inzwischen passiert war. Und ich rechnete damit, dass sich so etwas sehr schnell wiederholen konnte…
    ***
    Beide waren wir froh, als wir vor der Tür standen und die kühle Luft einatmen konnten. Mein Wagen stand noch da, wo ich ihn geparkt hatte. Niemand hatte sich daran zu schaffen gemacht. Auch wenn das Wetter sich mehr von seiner trüben Seite zeigte, sah für mich die Welt wieder freundlicher aus.
    Ich trug noch immer Clarissas Koffer. Sie selbst fröstelte und presste beide Hälften ihres Mantels vor dem Körper zusammen.
    Ein klares Gesicht mit ebenfalls klaren Augen. Da war nichts, was mich an die Person erinnerte, die es geschafft hatte, Weihwasser zum Kochen und ein Metallkreuz zum Schmelzen zu bringen. Ein völlig normales Kind stand neben mir.
    Im Haus rührte sich noch immer nichts. Hätte ich nicht die vier Halbwüchsigen auf dem Herweg gesehen, hätte ich das Gefühl haben können, dass das Heim nur von einem Insassen besetzt gewesen war. Eben von Clarissa.
    Jetzt lächelte sie wieder und deutete auf den Peugeot. »Ist das dein Wagen, John?«
    »Ja. Damit fahren wir weg.«
    »Ich freue mich.«
    »Ich jetzt auch.«
    »Fahren wir weit?«
    »Das schon.«
    »Und wohin?«
    »In den Süden.«
    »Da ist es wärmer, nicht?«
    »Ich hoffe.«
    Es war schon ungewöhnlich. Keiner von uns sprach ein bestimmtes Thema an. Ich hatte es nicht vergessen, doch bei Clarissa war ich mir nicht so sicher. Ich hörte ihr leises Summen. Sie schien fröhlich zu sein, und noch vor mir ging sie auf den Leihwagen zu.
    Ich begriff ihr Verhalten noch immer nicht. Was wir erlebt hatten, konnte man nicht eben als kindgerecht bezeichnen. Das hatte mit dem Selbstmord der Anne Ferrant begonnen und mit dem Schmelzen des Kreuzes aufgehört. Nichts war davon bei Clarissa hängen geblieben. Zumindest äußerlich nicht. Sie gab sich völlig gelassen und auch wieder kindgerecht.
    Sie drängte mich sogar, zum Wagen zu gehen, indem sie mich an der Hand hinzog.
    Ich holte den

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