1193 - Das Templerkind
wirkte nur etwas fremd in dieser Umgebung. Er hatte mit mir Kontakt aufgenommen, und jetzt war er erschienen, um Clarissa zu holen.
Aber warum?
»Was ist denn mit dem Namen, John?«
Elohim stammt aus dem Hebräischen. Es bedeutet so viel wie Gott, Götze oder Götter. »Wenn ich ehrlich sein soll, dann gibt es zwischen euch sogar Parallelen.«
»Warum?«
»Auch seine Eltern sind nicht normal. Aber das ist jetzt unwichtig für dich.«
»Er ist aber nicht gefährlich?«
»Ich denke nicht.«
»Und was will er?«
Ich schwieg und atmete nur stark aus.
»Bitte, John, du musst es mir sagen.«
»Er will dich«, murmelte ich. »Ich habe es gehört. Er hat mit mir Kontakt aufgenommen.«
»Und was will er von mir?«, hauchte sie.
»Wenn ich das wüsste, ginge es mir besser.«
Clarissa lächelte, als sie durch die Scheibe schaute. Der Junge schien ihr nicht unsympathisch zu sein, und ihr Lächeln wurde breiter. Ich hatte sogar den Eindruck, als würden ihre Augen aufleuchten.
»Ich möchte mit ihm sprechen, John.«
»Okay. Und dann?«
»Ich mag ihn. Ich spüre ihn sogar. In mir ist eine richtige Freude, das kannst du dir nicht vorstellen.« Bevor ich etwas unternehmen konnte, hatte sie die Wagentür aufgestoßen und das Auto verlassen. Sie blieb nicht an der Beifahrerseite stehen. Wie von der Schnur gezogen ging sie an der rechten Seite des Wagens vorbei und blieb einen langen Schritt vor dem rechten Vorderrad stehen, den Blick auf Elohim gerichtet und mit einem Lächeln auf den Lippen. Mir kam die Szene vor, als hätten sich zwei Freunde nach langer Zeit endlich wieder getroffen.
Auch ich stieg aus. Mir war längst klar, dass mir die Karten aus den Händen genommen worden waren. Ich bezweifelte, dass mein Einfluss ausreichte, um das Templerkind zurückzuhalten.
Auch Elohim war stehen geblieben. Er hob jetzt seinen rechten Arm zum Gruß und lächelte mir zu.
Ich musste automatisch daran denken, wie ich ihm zum ersten Mal begegnet war. Damals hatte der Fall in Deutschland begonnen, hatte mich dann in die Schweiz geführt, und das Finale hatte ich wieder in Deutschland in der Nähe von Köln erlebt. Damals waren noch die Kreaturen der Finsternis hinter ihm her gewesen, die ihn zu ihrem König machen wollten.
Es war ihnen nicht gelungen, und Elohim war dann bei seinem Vater Raniel geblieben.
Es vergingen Sekunden, in denen nichts passierte. Wir fixierten uns, und niemand ergriff das Wort.
Bis ich es leid war und fragte: »Hast du dich bei mir gemeldet, Elohim?«
»Ja. Hast du meine Stimme nicht erkannt?«
»Nein, tut mir leid. Und was willst du von uns?«
»Das habe ich dir gesagt.«
»Warum willst du Clarissa haben?«
»Sie ist etwas Besonderes. Sie ist allein. Sie ist schutzlos. Sie hat viel Ähnlichkeit mit mir. Auch ich wusste damals nicht, wohin ich gehen sollte. Mir war das Schicksal günstig gestimmt, und das möchte ich weitergeben. Ich mag sie, und sie soll unter meinem und dem Schutz meines Vaters stehen.«
»Ja, ja, das ist alles gut und schön. Aber ich habe andere Pläne, wie du dir sicherlich denken kannst.«
»Natürlich, John Sinclair. Auch du wolltest sie in Sicherheit bringen, aber meine Sicherheit ist besser.«
»Davon bist du überzeugt?«
»Ja. Wir sind seelenverwandt. Sie hat das Böse überlistet, aber sie ist noch nicht gerettet. Das werden mein Vater und ich übernehmen. Bitte, versuche nicht, uns daran zu hindern.«
Der letzte Teil hätte auch eine Drohung sein können. Verhindern wollte ich es auch nicht, zumindest nicht mit Gewalt. Clarissa Mignon hatte ein Alter erreicht, in dem sie selbst entscheiden konnte, welchen Weg sie gehen wollte.
Clarissa hatte sich noch immer nicht bewegt. Sie schaute auch nicht zu mir und war einzig und allein von der Erscheinung des Jungen fasziniert.
War das Liebe? Nein, Sympathie. Ein sehr starkes Band, das sich zwischen den beiden aufgebaut hatte. Möglicherweise fühlte sich Elohim bei seinem Vater auch einsam.
»Clarissa«, sagte ich halblaut.
»Ja, John, ich höre dich.«
»Du hast verstanden, was da gesagt worden ist?«
»Jedes Wort.«
»Und du weißt auch, was wir beide vorhatten, um dich in Sicherheit zu bringen.«
»Das habe ich gehört.«
»Gut, ich kann dich nicht zwingen, an meiner Seite zu bleiben. Ich will dich auf keinen Fall entführen oder gegen deinen Willen irgendwohin bringen. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem du dich entscheiden musst. Jetzt und hier. Es gibt für dich keine zweite Chance. Darum frage
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