1193 - Das Templerkind
war es auch düsterer als auf den Kämmen, wo das struppige und harte Gras sich im Wind wiegte.
»Sie lassen mich nicht in Ruhe!«, flüsterte Clarissa, nachdem wir einen recht steilen Weg in die Höhe gegangen waren und einen guten Überblick bekamen. Wir sahen den Kiosk und auch den daneben geparkten Leihwagen.
Dort war nichts zu sehen, und so gingen wir weiter. Clarissa hielt meine Hand jetzt noch fester umklammert. Sie zitterte auch. Ob es nur an der Kälte lag, glaubte ich nicht.
»Da«, sagte ich, »wir brauchen nur den Weg noch bis nach unten gehen, dann haben wir den Parkplatz erreicht.«
Sie erwiderte nichts, hielt allerdings meine Hand auch weiterhin fest, weil sie eine Unterstützung brauchte.
Ich hatte mich auf alles eingestellt und war dementsprechend vorsichtig. Aber in unserer Umgebung bewegte sich nichts Fremdes. Auch mein Kreuz meldete sich nicht.
»Spürst du noch etwas?«
Clarissa antwortete mit einem zögerlichen »Ja, ich spüre es…«
»Kannst du es beschreiben?«
Jetzt erfolgte die Antwort glatt und sicher. »Nein, John, das kann ich nicht. Ich kann es nicht beschreiben. Ich weiß nur, dass jemand in der Nähe lauert.«
»Ein Feind?«
»Keine Ahnung.«
Ich dachte dabei an Baphomet oder einen seiner Diener, denn möglich war alles.
Bis auch ich die geheimnisvolle Stimme hörte und auf der Stelle stehen blieb.
»Es ist besser, wenn du das Mädchen uns überlässt, John Sinclair…«
***
Der Kontakt machte mich sprachlos. Ich war sicher, dass ich mich nicht geirrt hatte. Auch Clarissa merkte es. »Du ebenfalls?«, flüsterte sie mir zu.
»Leider…«
Da musste sie lachen. »Warum sagst du das? Ist die Stimme so gefährlich? Fürchtest du dich davor?«
»Nein, das nicht. Mich stört nur, dass sie meinen Namen kennt, aber ich weiß nicht, wer sie ist. Das ist mein Problem.«
»Was wollte sie denn?«
»Es ging um dich. Der Sprecher wollte, dass ich dich ihnen oder ihm überlasse.«
»Ja, so ähnlich hat man auch mit mir Kontakt aufgenommen.«
Es hatte keinen Sinn, dass wir hier stehen blieben und warteten, bis sich etwas Neues tat. Wir mussten weiter und möglichst schnell den Peugeot erreichen.
Negativ gedacht, konnte ich mich verfolgt fühlen. Positiv war, dass es kein Verfolger aus dem schwarzmagischen Bereich war, sonst hätte ich etwas spüren müssen.
So spürten wir nur den Wind, der gegen unsere Gesichter blies und die Haut rötete. Winter am Meer kann wunderbar sein. Nur hatte ich im Augenblick dafür kein Verständnis.
Zum Glück trug Clarissa einen Mantel. Er hielt den größten Teil der Kälte ab.
Wer hatte mich da auf diese geheimnisvolle Art und Weise angesprochen? Wer kannte meinen Namen so gut? War es Baphomet gewesen? Möglich. Ich glaubte trotzdem nicht so recht daran.
Das letzte Stück des Weges verwandelte sich in einen kleinen Abhang, über den wir mehr rutschten als gingen. Auch Clarissa hatte es jetzt eilig. Sie hielt mit mir Schritt, und sie war froh, als wir das Auto erreichten.
Bisher hatten wir niemand gesehen. Auch die Stimme war nicht wieder aufgeklungen, sodass ich zum ersten Mal leicht aufatmete.
Ich löste die Zentralverriegelung und öffnete Clarissa die Beifahrertür. »Steig ein.«
Das tat sie sehr schnell, und auch ich ließ mir keine Zeit mehr. Ich klemmte mich hinter das Lenkrad. Den Schlüssel hielt ich bereits in der Hand. Der Wagen stand so, dass seine Schnauze auf den verrammelten Kiosk wies. Genau er hatte die Person verborgen, die sich jetzt aus seiner Deckung löste.
Es war ein Junge mit einem blassen Gesicht, großen dunklen Augen und schwarzen Haaren.
Ich kannte ihn, aber ich konnte es nicht fassen.
»Wer ist das?« flüsterte Clarissa neben mir.
»Elohim«, stöhnte ich nur…
***
Es brachte mir nichts, wenn ich über die Verzweigungen des Schicksals nachdachte, ich musste sie einfach hinnehmen. Elohim war mir bekannt, aber ich hatte ihn lange nicht gesehen. Er war der Junge mit dem Jenseitsblick, der besondere Eltern hatte. Noch anders als Clarissa, denn seine Mutter war Lilith die Hexe aller Hexen, die Göttin, die Königin. Sein Vater war Raniel, der Gerechte. Eine Gestalt, die halb Engel und halb Mensch war. Raniel hatte seinen Sohn gefunden und ihn mit sich genommen. Den Ort kannte ich nicht.
»Wer ist das?« fragte Clarissa leise.
»Elohim.«
»Kenne ich nicht. Was ist das für ein Name?«
Ich ließ mir Zeit mit der Antwort. Clarissa hatte keine Angst vor ihm. Er machte auch keinen bösen Eindruck, er
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