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1195 - Der Engelskerker

1195 - Der Engelskerker

Titel: 1195 - Der Engelskerker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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zurückkehrten. Ebenso wie der Nebel selbst, doch da mussten sie zunächst abwarten.
    »Was ist mit den Schreien?« fragte er leise.
    Dagmar hob die Schultern. »Ich höre sie nicht mehr. Die Frau scheint sich zurückgezogen zu haben.«
    »Kannst du dir noch immer keinen Grund vorstellen?«
    »Man hat sie nicht gelassen.«
    »Ja, möglich. Und wo willst du hin?«
    »Einmal um den Block. Das ist nicht weit. Nur ein kleines Viereck. Vielleicht haben wir Glück.«
    »Wobei.«
    Dagmar schaute ihn kurz von der Seite her an. »Ich will endlich wissen, wo ich suchen muss, um die Gequälte zu finden. Sie muss hier irgendwo sein.«
    »Im Lokal?«
    Dagmar zuckte die Achseln. »Das kann ich nicht sagen. Wohl kaum jemand kann das. Komm jetzt.«
    »Und wohin?«
    »Nach rechts.«
    »Okay, wie du willst.«
    Beide ließen auch die letzte Stufe der Treppe hinter sich und machten sich auf den Weg. Sie schritten an der Hotelfassade vorbei, die zum Marktplatz hin als Erker gebaut worden war, der auf schweren Säulen stand. Irgendwo erinnerte er mit seinen Rundbögen an den Kreuzgang eines Klosters. Im Sommer saßen die Gäste dort und konnten Speisen und Getränke einnehmen. Zwar standen auch jetzt dort Tische und Stühle, aber zusammen und festgekettet.
    Turmartige Dachgauben zierten den Bau. Direkt über dem Eingang befand sich das Turmzimmer.
    Es lag in einer besonders hohen Dachgaube.
    Wie Wächter standen die steinernen Kaiserfiguren zwischen den Fenstern unter dem Dach und beobachteten den Marktplatz.
    Beide passierten den Eingang zum Kellergewölbe und konnte ein paar Schritte danach nach rechts in eine schmale Gasse einbiegen.
    Auch in der Gasse lag noch der Schnee. Nur ihre eigenen Schritte waren zu hören. Sie konnten dem Schnee nicht immer ausweichen, und so klang das Knirschen ihrer Tritte überlaut.
    Ab und zu warf Harry seiner Lebensgefährtin von der Seite her einen Blick zu. In deren Gesicht bewegte sich nichts.
    Die Gasse war nicht sehr lang. An ihrem Ende befand sich ein kleines Lokal, das längst geschlossen hatte. Nur ein Notlicht brannte über der Tür.
    Aber sie hörten den Bach. Sie gingen direkt darauf zu. Es war auch nicht mehr weit bis zum Engelskerker, wo Dagmar die Schreie zum ersten Mal vernommen hatte.
    Dagmar blieb stehen.
    Auch Harry verharrte. »Und?«
    Dagmar senkte die Stimme, als hätte sie Angst davor, dass jemand mithören konnte. »Sie… ruft wieder.«
    »Dich?«
    »Nein, nur allgemein. Ich höre ihre leisen Schreie, und sie klingen so verdammt verzweifelt.« Für einen Moment schloss sie die Augen. »Das ist einfach so grauenhaft. Ich weiß, dass sie hier sind. Sogar ganz in der Nähe, aber ich komme nicht an sie heran, verdammt noch mal. Damit meine ich nicht nur die Monster, sondern auch die Gefangene. Sie wird irgendwo in dieser Umgebung festgehalten. Sie leidet, und wir können nichts unternehmen.«
    Harry setzte seinen Weg fort. Er wollte bis zum Bach vorgehen und dort warten. Die Straße war hier glatter. Er sah Bäume, an deren Geäst das Eis und der Raureif als dicke Schicht klebten und das Astwerk schwer gemacht hatten.
    Am Bach entlang führte ein Spazierweg. Zum Wasser hin war er durch ein Geländer abgesichert.
    Eine Treppe führte nicht weit davon etwas tiefer. Dort setzte sich der Weg dann fort.
    Dagmar Hansen stellte sich neben ihn. »Ich habe sie wieder gehört, und ich weiß jetzt mehr.«
    »Wieso?«
    »Ich kenne ihren Namen.«
    Harry hielt für einen Moment den Atem an. Endlich schien sich das Dunkel zu lichten. »Wie heißt sie denn?«
    »Michaela.«
    »Und weiter?«
    »Nichts weiter. Den Nachnamen kenne ich nicht.«
    »Weißt du denn noch mehr über sie?«
    Dagmar sprach, und der Atem zitterte als kleine Wolken vor ihren Lippen. »Ja, ich weiß inzwischen, dass man sie gefangen hält.«
    »Sonst hätte sie ja nicht zu schreien brauchen.«
    »Sieh das nicht zu locker. Sie hat sich schuldig gemacht, und deshalb ist sie in den Engelskerker eingesperrt worden.«
    »Also in das Lokal, das wir kennen?«
    »Das weiß ich nicht, Harry. Ich… ich… kann mich noch immer nicht damit anfreunden.«
    »Warum denn nicht?«
    »Weil wir das Lokal kennen. Und weil ich mir nicht vorstellen kann, dass es sich dabei um einen Engelskerker handeln soll.«
    »Engelskerker«, wiederholte Harry Stahl nachdenklich. »Das bringt mich auf einen Gedanken.«
    »Und auf welchen?«
    »Ganz einfach, Dagmar. Du hast erzählt, dass man diese Michaela eingesperrt hat. In einen Kerker, der für Engel reserviert

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