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1195 - Der Engelskerker

1195 - Der Engelskerker

Titel: 1195 - Der Engelskerker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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gemeinsam.«
    Dagegen hatte Dagmar Hansen nichts einzuwenden. Sie schlang ihre Arme um Harrys Nacken, und ihre Lippen fanden zielsicher seinen Mund. Im Zimmer war es nicht richtig dunkel, auch wenn sie die Nachttischleuchten ausgeschaltet hatten. Durch das Fenster und auch durch den Spalt des Vorhangs drang ein schwacher Schein vom Marktplatz her, der Ähnlichkeit mit dem eines kalten Gestirns hatte, als würde es dicht vor dem Fenster kreisen.
    Harry spürte die Zunge der Frau in seinem Mund. Er lag halb über Dagmar, er spürte ihren weichen, nachgiebigen Körper. Sie hatten schon länger nicht mehr miteinander geschlafen, weil es einfach ihr Job nicht zugelassen hatte. Jetzt verlangte die Natur ihr Recht, und das Begehren ließ sich einfach nicht unterdrücken.
    Bis sich Dagmar plötzlich versteifte. Aus einer Körperbewegung heraus blieb sie plötzlich starr liegen und schob Harrys Kopf von ihrem Gesicht weg.
    Auch er merkte, dass etwas nicht stimmte. »He, was ist los?«, beschwerte er sich. »Hast du keine Lust mehr?«
    »Das ist es nicht.«
    Harry, in dem noch das Feuer brannte, begriff nicht sofort. »Was hast du dann?«
    »Sie sind wieder da.«
    Jetzt verstand er, fragte aber trotzdem. »Die Schreie, meinst du?«
    »Verdammt.« Er rutschte von Dagmar weg in seine Betthälfte und schaute zu, wie sich die Frau langsam aufrichtete und sehr steif sitzen blieb, den Kopf dabei nach links gedreht, aber nicht zu Harry, der ebenfalls an der Seite lag, sondern zum Fenster hin, als würde sich dort etwas abmalen.
    Auch er schaute hin, ohne jedoch etwas sehen zu können und war entsprechend frustriert. »Siehst du denn was?«
    »Nein, Harry, nein…«
    »Die Schreie…«
    »Sind noch in meinem Kopf. Stärker als im Lokal. Verdammt, ich werde noch…«, sie sprach nicht mehr weiter, sondern presste ihre Hände an die Schläfen. Durch den offenen Mund saugte sie die Luft ein, gab aber keinen Kommentar ab, weil sie sich noch immer auf die Schreie konzentrierte.
    Harry ließ sie in Ruhe. Er wusste, was er zu tun hatte. Er gehörte nicht zu den Psychonauten, deren Mitglieder äußerst sensibel waren.
    Sie wartete, ohne sich zu bewegen. Ihr Schatten malte sich ab, aber auch ihre Konturen. Sekunden verstrichen, und Harry sah plötzlich, wie sie schluckte.
    Er tat noch nichts. Erst als er das leise Stöhnen hörte, sprach er sie wieder an. »Was hast du denn?«
    »Mein Gott, es ist schlimm. Sie… sie… wird gequält.«
    »Von wem?«
    »Von Monstern. Von grauenhaften Gestalten. Sie… sie… sind ganz in der Nähe.«
    »Hier?«
    »Ja!«, stieß sie hervor.
    Harry sagte nichts mehr. Er wusste genau, wann es besser war, den Mund zu halten, aber er ließ Dagmar auch nicht aus dem Blick. Ihr Verhalten war ihm fremd, doch er akzeptierte, dass sie mehr und intensiver fühlte als er.
    So hinderte er Dagmar auch nicht, als sie sich nach links drehte und aufstand. Ihre Schritte waren auf dem Teppich kaum zu hören. Wie ein Geist schlich sie auf das Fenster zu, blieb für einen Moment vor dem Vorhang stehen und hob dann mit einer langsamen Bewegung den Arm, um den Stoff zur Seite zu schieben, damit sie einen freien Blick bekam.
    Harry Stahl wollte sie nicht stören. Er blieb im Bett, doch er lag nicht mehr, sondern hatte sich aufgerichtet und schaute zur Seite, an der das Fenster lag.
    Noch war der Vorhang nicht geöffnet. Dagmar traute sich auch nicht, ihn zur Seite zu ziehen. Sie blieb in ihrer Haltung, die etwas Denkmalhaftes bekommen hatte.
    Es war sehr still im Raum geworden, denn nicht das geringste Geräusch erreichte sie von außen.
    Beide hielten den Atem an. Um sie herum schien die Kälte die Luft eingefroren zu haben. Nur das leise Summen der Heizung war zu hören, aber auch nur, wenn sich beide konzentrierten. Auch vom Flur her waren keine Geräusche zu vernehmen.
    Natürlich drängten sich die Fragen in Harry Stahl hoch, doch er hütete sich, sie zu stellen. Er wollte abwarten, bis Dagmar sich überwunden hatte.
    Sie bewegte sich.
    Harry versuchte dabei, einen Blick auf ihre Stirn zu werfen. Er wollte herausfinden, ob sich dort das Dritte Auge abmalte, aber es war nichts zu erkennen.
    Mit einer sehr langsamen Bewegung zog die Frau den Vorhang zur Seite.
    Sie schaute auf den Marktplatz und öffnete das Fenster nicht. Aber Harry hörte ihr Stöhnen.
    Blitzschnell war er aus dem Bett!
    ***
    Der erste Sprung brachte ihn fast aus dem Gleichgewicht. Er kippte nach vorn und stieß gegen die Wand. Zum Glück hatte er sich gedreht,

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