Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1195 - Der Engelskerker

1195 - Der Engelskerker

Titel: 1195 - Der Engelskerker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
Harry und Dagmar erhalten hatte, war ich überrascht, Michaela zu sehen. Sie bot ein Bild der klassischen Schönheit.
    Sie hatte sich schräg hingestellt, sodass wir sie im Halbprofil sahen. Den Kopf hatte sie etwas zurückgelegt, die Augen waren halb geschlossen, und sie schaute dabei in eine Ferne, als wollte sie die Unendlichkeit erkunden.
    Sie trug ein gelbes Kleid, das allerdings zahlreiche Löcher oder Risse aufwies, sodass wir viel von ihrem wunderschönen Körper sahen. Unter den nackten Brüsten hielt sie die Arme verschränkt. Für mich sah sie in diesem Augenblick aus wie eine Madonna.
    Ich hörte nicht nur Dagmar und Harry Luft schnappen, sondern mich auch. Wir waren darauf vorbereitet, und trotzdem war Michaela überraschend erschienen.
    Aber sah so jemand aus, der seit Jahrhunderten in einen Kerker eingesperrt worden war?
    Bestimmt nicht. Trotzdem war es so. Sie musste lange in diesem Kerker zugebracht haben. Aber sie war nicht verfault. Ihr Körper zeigte keine Spuren von Verwesung. Keine Leichenflecken. Keine Beulen, die von der Pest hätten stammen können, nein, da stand vor uns eine völlig normale und wunderschöne junge Frau.
    Aber nicht nur sie zeichnete sich in diesem Tor zwischen den Zeiten ab. Es gab noch einen Hintergrund. Auch wenn dieser in einen Nebel gehüllt war, gab man uns trotzdem eine Chance, das zu erkennen, was sich innerhalb des Nebels abmalte.
    Es war das glatte Gegenteil von dem, was wir im Vordergrund sahen. Wenn man Michaela als Himmel ansah, dann lauerte im Hintergrund und auch um sie herum die Hölle.
    Schreckliche, fratzenhafte, monströse Gestalten. Nicht klar zu erkennen, aber durch ihre rötliche Farbe hoben sie sich schon ab. Gewaltige Mäuler, die man nur als Rachen bezeichnen konnte.
    Schnauzen, aus denen Reißzähne hervorschauten. Die Rachenhöhlen entließen immer wieder dicke Schwaden, die sich dann mit dem anderen Nebel vereinigten.
    Es gab das Schöne und das Hässliche. Hier in diesem Bild war dieser Dualismus auf eine besondere Art und Weise vergegenwärtigt worden. Wie in unserer normalen Welt, so gab es auch in der anderen diese alten Gesetze.
    Michaela nahm uns nicht wahr. Sie musste in sich selbst versunken sein. Sie hatte ihre Gedanken auf die Reise geschickt, aber ich zumindest empfing sie diesmal nicht.
    Deshalb schaute ich nach rechts, um Dagmar Hansen eine Frage zu stellen. Auch sie musste gewisse Schwierigkeiten haben, denn darauf deutete ihr Gesichtsausdruck hin. Er kam mir so nachdenklich vor. Sie war dabei, zu überlegen, wie sie aus dieser Lage herauskommen konnte.
    »Du hörst sie nicht mehr?«
    Dagmar Hansen deutete ein Kopfschütteln an. »Nein, John, oder nur fast. Es ist etwas da, aber es rauscht zugleich auch an mir vorbei. Zuerst hatte ich den Kontakt. Jetzt nicht mehr. Er ist weg, aber nicht ganz. Ich habe das Gefühl, dass Michaela auf der Suche ist. Es muss noch andere Personen geben, zu denen sie Kontakt aufgenommen hat oder dabei ist, ihn aufzunehmen.«
    »Namen kennst du nicht?«
    »Nein.«
    Es war keine gute Situation für uns. Immer hier stehen bleiben konnten wir auch nicht. Ich war es gewohnt, das Heft in die eigenen Hände zu nehmen. Da dachte Dagmar Hansen bestimmt ähnlich.
    Auch an den Wirt musste ich denken. Er war sicherlich nicht von Michaela überfallen worden. Sie besaß nicht die Krallen, um ihm derartige Verletzungen zufügen zu können.
    Das konnten nur diejenigen gewesen sein, die im Hintergrund lauerten und auch in der Lage waren, die Welten zu wechseln.
    Es war ein Zugang. Ein transzendentales Tor und damit für mich nichts Neues. Es war mir schon öfter gelungen, durch das Tor eine andere Welt zu betreten. Wenn ich etwas erreichen wollte, dann musste ich ebenfalls durch das Tor treten.
    Ich drückte mich wieder an der linken Seite des Tisches vorbei. Erst als ich die Wand beinahe erreicht hatte, sprach mich Harry an.
    »He, was hast du vor?«
    »Ich will zu ihr.«
    »Aber…«
    Er sprach nicht mehr, denn er hatte das Phänomen gesehen, was ich am eigenen Leibe erlebte. Ich hatte mich einfach nach vorn gedrückt und zuvor die Stühle zur Seite geschoben, um eine Lücke zu bekommen. Den Durchgang zu schaffen, war praktisch das letzte Normale, dann trat ich in die andere Welt hinein, als hätte es nie ein Hindernis gegeben…
    ***
    Ich war da!
    Nur ein Schritt. Ein lächerlicher Schritt, und ich befand mich in einer anderen Dimension. Womöglich tief in der Vergangenheit, und ich merkte auch, dass mein Kreuz

Weitere Kostenlose Bücher