1196 - Die Macht der Druidin
zu erleben.
Er hatte sich bisher noch nicht gezeigt. Das musste nichts zu bedeuten haben. Ich kannte den Roten Ryan. Er war jemand, der eigentlich über alles informiert war, was in dieser Welt ablief. Seine Informanten befanden sich an allen Orten dieser Welt, und sicherlich hatte man ihm bereits Bescheid gegeben, wer nach Aibon gekommen war.
Ich blieb am Ufer stehen. Über mir segelten Vögel durch die Luft und zwitscherten laut, wenn sie über meinen Kopf hinwegflogen.
Die Tiere ließen sich nicht stören. Ein Einhorn entdeckte ich unter ihnen nicht. Es hätte mich wirklich gefreut, dieses Fabeltier mal wieder zu Gesicht zu bekommen und vielleicht auch Ribana, die Freundin des Roten Ryan.
Ich ließ meinen Blick über das sehr klare Wasser gleiten. Im See tummelten sich Fische. Manche dunkel, andere wiederum leuchteten in verschiedenen Farben, die wie angestrichen auf ihren Körpern wirkten.
Mona trat neben mich und räusperte sich. Ich blickte zu ihr.
»Bist du zufrieden?«
»Noch nicht, John.«
»Was stört dich?«
»Ich habe auf den Roten Ryan gesetzt. Leider hat er sich noch nicht gezeigt.«
»Das ist eben so. Er ist der Wächter. Man kann ihm nichts befehlen. Ich bin allerdings sicher, dass er Bescheid weiß und einen Weg finden wird, zu uns zu kommen.«
»Hoffentlich!«, flüsterte Mona. Sie ballte bei dieser Antwort die Hände und ich fragte mich, warum sie so daran interessiert war, auf den Roten Ryan zu treffen. Sie sehnte sich förmlich nach ihm.
Glaubte sie vielleicht daran, dass er sie hier in Aibon behielt?
Ich dachte da anders. Ich hatte mein Erlebnis hinter mir. Ich brauchte nur an den runden Stein und an die Männer in Grau zu denken. Sie zählten nicht zu den Freunden des Roten Ryan, denn sie gehorchten den Befehlen des mächtigen Guywano.
Vor uns huschten Tiere durch das hohe Gras. Ich kannte sie nicht. Sie sahen aus wie Hasen, aber mit flachen Schnauzen, als wären sie Spielgefährten der Trolle, die es zahlreich in dieser Welt gab. Sie ließen sich nicht blicken. Überhaupt machten die Tiere einen Bogen um uns, während diejenigen, die hier schon geweidet hatten, misstrauisch zu uns herüber äugten.
Es war nicht still um uns herum. Abgesehen vom leisen, fast schon musikalisch wirkenden Plätschern des Wassers, hörten wir auch andere Geräusche. Ein Huschen, ein Kratzen, mal ein kurzes Pfeifen, das wie ein Warnruf klang.
Und das Spiel der Flöte!
Schon nach den ersten Klängen hellte sich mein Gesicht auf. Ich hatte bereits darauf gewartet. Jetzt wurde meine Meinung bestätigt. Der Rote Ryan hatte uns bereits bemerkt, und ich drehte mich langsam um.
Das Flötenspiel verstummte. Ryan ließ sein Instrument sinken, als er mit gemächlichen Schritten auf uns zukam.
Ja, er sah aus wie immer. Das feuerrote Haar war struppig. Seine Kleidung schien aus den Gaben des Waldes geschnitten worden zu sein. Sie zeigte sich in herbstbunten Farben, wobei das Grün überwog. Ein irgendwie erwachsen gewordener Peter Pan, der auf uns zuschlenderte. Fehlte nur noch der grüne Hut.
»Endlich«, flüsterte mir Mona zu. »Darauf habe ich lange gewartet.« Sie stand wie festgebacken auf dem Gras. Die Arme hielt sie hinter ihrem Rücken versteckt, und dort schimmerte auch das Messer mit den drei Klingen.
»Du solltest die Waffe fallen lassen!« riet ich ihr.
»Warum?«
»In dieser Welt brauchst du sie nicht.«
»Das ist meine Sache.«
Wenn sie wollte, okay. Ich hatte es ihr nur gesagt und ging auch davon aus, dass der Rote Ryan ähnlicher Meinung war wie ich. Er war jetzt so nahe an uns herangekommen, dass er uns ansprechen konnte, ohne seine Stimme besonders zu erheben.
In seinen grünen Augen schimmerte die Freude. Das Gesicht wirkte wie immer etwas blass. Die Flöte hatte er in einer Tasche seines Kostüms verschwinden lassen.
»John«, sagte er nur.
»Ich bin mal wieder hier.«
»Das wusste ich.«
»War mir klar.«
Er nickte. »Und du hast jemanden mitgebracht.«
»Ja, Ryan. Es ist Mona. Wenn ich ehrlich sein soll, ist sie der Grund für mein Kommen. Sie wusste, wo sich der Zugang befand. Sie kannte die Lage des Tores.«
Der Rote Ryan erwiderte nichts. Er betrachtete dafür meine Begleiterin mit prüfenden Blicken, und seine Lippen blieben geschlossen. Er zeigte kein Lächeln, und selbst ich als Außenstehender merkte, dass sich zwischen den beiden so etwas wie ein Feld der Spannung aufbaute, das es zwischen mir und dem Roten Ryan nicht gab.
»Was will sie?«, fragte er leise.
Ich
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