1196 - Die Macht der Druidin
einer lässigen und wie einstudiert wirkenden Bewegung das dichte Haar zurück.
Da sie keine Anstalten traf, mich anzusprechen, blieb auch ich ruhig. Ob wir unserem imaginären Ziel näher gekommen waren, konnte keiner von uns wissen. Jedenfalls hörten wir nichts von dem Roten Ryan, denn bevor er sichtbar wurde, war er zumeist zu hören.
Ich hatte ihn mal den Papageno von Aibon genannt. Er hatte tatsächlich Ähnlichkeit mit dieser Figur aus der Mozart-Oper. Er war so gekleidet, recht bunt, wie in Herbstlaub eingehüllt, und er spielte auch Flöte. Man konnte ihn als Beschützer der Erdgeister ansehen. Ihm gehorchten die Feen und Trolle. Manchmal wurde er auch als Ariel, der Luftgeist, bezeichnet, und Kraft seiner Flöte gelang es der Gestalt mit den rostroten Haaren und den grünen Augen, Menschen und andere Wesen zu beeinflussen. Der Rote Ryan war zeitlos. Er hatte meiner Ansicht nach schon immer gelebt und schaffte es auch, Aibon zu verlassen, um auf der Erde hin und wieder seine Aufgabe zu finden.
Ich verstand mich gut mit ihm, obwohl zwischen mir, dem Menschen, und ihm eine große Diskrepanz herrschte. Gemeinsam hatten wir schon einiges erlebt, und ich erinnerte mich daran, dass ihn seine Schwester Ziana mal in eine Riesenschlange verwandelt hatte und er erst durch das Blut eines Kindes erlöst worden war.
Es gab noch eine Gemeinsamkeit zwischen uns. Wir hatten beide den gleichen Feind. Es war Guywano, der Herrscher der anderen Seite des Druiden-Paradieses.
Ein alter Mann, eine ebenfalls zeitlose Gestalt, aber brandgefährlich, denn er schaffte es, Menschen in lebende Schatten zu verwandeln, die alles, was sie berührten, in den schrecklichen Teil des Paradieses brachten.
Und Guywanos Helfer waren die Männer in Grau, die seltsamerweise auch auf Monas Seite standen. Damit zurecht zu kommen, bereitete mir schon Probleme.
»Warum denkst du, John?« fragte Mona.
»Weil ich nicht anders kann.«
Sie lachte leise vor sich hin. »Das, was du denkst, ist bestimmt nicht schmeichelhaft für mich.«
»Kann man sagen.«
»Willst du mir sagen, um was es geht?«
Das wollte ich. Allerdings schaute ich zuerst nach vorn. Wir gingen über keinen normalen Weg, den gab es hier nicht, höchstens einen Wildwechsel, aber wir näherten uns einem flachen Hügel, und wenn ich nach links schaute, dann glaubte ich, das Schimmern eines Gewässers zu sehen.
»Um die Männer in Grau.«
»Meine Beschützer.«
Jetzt war ich es, der auflachte. »Sie beschützen dich? Weißt du denn, wer sie sind?«
»Ich kann sie nicht vertreiben.«
Die Antwort gefiel mir nicht. »Sie gehören zu Guywano, das habe ich schon erwähnt.«
»Und er ist mir unbekannt.«
»Gut, belassen wir es dabei.« Sie würde mir nie die Wahrheit sagen und nur ihre eigenen Ziele verfolgen. Deshalb sah ich auch keinen Grund, sie weiterhin mit Fragen zu belästigen.
Auf der flachen Hügelkuppe wuchs die Vegetation nicht so dicht. Bäume waren dort überhaupt nicht zu sehen. Dafür hohes Gras und mit Blüten gespicktes Buschwerk.
Als wir den Ort erreicht hatten und stehen blieben, bot sich uns ein fantastischer Blick in ein flaches Tal hinein, in dem ein See lag, der von unserer Stelle aussah wie ein großes Auge. Es war wirklich ein Ort wie im Paradies, denn wer sich dort aufhielt, der musste sich einfach wohl fühlen. Hirsche standen am Ufer und soffen Wasser. Anderes Rotwild weidete in der Nähe und fraß vom saftigen Gras. Manche Hirsche besaßen helle Geweihe, die wie mit schimmerndem Puder überzogen wirkten.
Ich warf meiner Begleiterin einen Blick zu. Mona schwieg. Sie stand neben mir, schaute in das Tal hinein, sah den See, die Tiere auch und lächelte auf eine geheimnisvolle Art und Weise. Ich sprach sie nicht an. Sie sollte ihren eigenen Gedanken nachgehen, aber es konnte durchaus sein, dass es das Ziel war, das sie auch gesucht hatte.
Ich wollte nicht länger stehen bleiben und ging einfach weiter. Der See mit seinem klaren Wasser zog mich wie ein Magnet an, und Mona folgte mir.
Ob das alles zu ihren Plänen gehörte, war mir nicht bekannt. Aber interessant war es schon. Auch wenn sie mir bisher nichts getan hatte, ich konnte sie keinesfalls als Verbündete betrachten.
Immer wieder streichelte das hohe, saftige Gras meine Füße und auch einen Teil der Beine. Die Person dicht hinter mir trug keimen Faden am Leib, und sie hatte sich auch nicht beschwert. Ihr war weder zu kalt noch zu warm. Sie nahm alles hin und wartete nur darauf, den Roten Ryan
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