1199 - In den Klauen des Ghouls
Abschluss.«
»Doppelt?«
»Wie immer.«
Betty erhielt ein recht großes Glas, in das der Wirt großzügig eingeschenkt hatte. »Soll ich es auf die Rechnung schreiben?«
»Klar.«
Es passte Glenda nicht, dass die letzte Bestellung schon nach Abschied aussah. Sie hatte eigentlich vorgehabt, mit der Frau ein paar Worte zu wechseln, um mehr über sie zu erfahren.
»Wohnen Sie hier?«
»Klar. Gleich hinten im Hof.« Sie lachte kichernd. »Da habe ich meine Hütte.«
»Bitte?«
»Ich nenne das kleine Haus so. Das stand schon, bevor die meisten Bauten hier hochgezogen wurden. Mich hat keiner vertrieben. Es wurde auch nichts abgerissen.« Sie griff zum Glas und trank es mit dem ersten Schluck halbleer. »Manchmal muss man Glück haben.«
»Stimmt!«
»Ich kenne Sie«, sagte die Frau unvermittelt.
»Ach?« Glenda gab sich überrascht. »Tatsächlich? Woher kennen Sie mich?«
»Sie waren in der Reinigung!«
»Stimmt!« Glendas Augen glänzten. »Dort bin ich öfter. Sie ist meine Stammreinigung. Ich habe einige Frühlingsklamotten dorthin gebracht. Soll ja nicht mehr so lange dauern, wenn man dem Kalender glauben darf.«
»Das kann man nie.«
Glenda ging jetzt direkt zum Angriff über. »Sie leben aber nicht allein, nehme ich an.«
»Ach - warum?«
»Bitte, verstehen Sie mich nicht falsch. Es soll auch keine Neugierde sein, aber Sie haben eine Männerhose zum Reinigen gebracht. Ich sah es deshalb, weil sie noch auf der Theke lag.«
»Gut beobachtet.« Betty lächelte. Nur ihre Augen blieben kalt. Sie sah Glenda starr an. »Die Hose hat einem Bekannten von mir gehört. Er selbst hatte keine Zeit, sie in die Reinigung zu bringen. Das habe ich übernommen. Wurde auch Zeit, nicht wahr?«
»Das kann ich nicht beurteilen.«
»Ist auch egal.« Sie hob das Glas an und trank es bis zum letzten Tropfen leer. Dann schlug sie mit der flachen Hand auf die Theke. »Ich mache jetzt den Abflug, Dorsey.«
»Bis wann?«
»Heute Abend, denke ich.«
»Bringst du Geld mit?« Er grinste lauernd. »Dein Konto ist schon überzogen.«
»Mach dir deswegen keine Sorgen. Es kommt alles in die Reihe.« Sie schnappte nach der grauen Leinentasche und rutschte vom Hocker in Glendas Richtung.
In den beiden Sekunden hielt Glenda den Atem an. Sie hatte wieder das Gefühl, in der Reinigung zu stehen und auf die Hose zu starren. Es war der gleiche Geruch, der sie traf, und sie hielt für einen Moment die Luft an.
Nicht nur von der Hose!, schoss es ihr durch den Kopf. Sondern auch bei ihr. Sie stinkt ebenfalls nach Moder, denn dieser Geruch stammt nicht von Mottenkugeln.
Für einen winzigen Augenblick sah sie die Augen der Frau auf sich gerichtet. Ein kalter Blick.
Misstrauisch und lauernd, zugleich abschätzend und irgendwie wissend.
Dann ging sie weg.
Glenda schaute Betty Brown nach. Sie hatte etwas getrunken, aber sie schwankte nicht. Kerzengerade marschierte sie auf die Tür zu und war wenig später verschwunden.
Glenda atmete aus. Sie drehte sich wieder herum. Im Mund lag noch immer der widerliche Geschmack. Dagegen konnte auch das Wasser nicht ankämpfen.
Der Wirt, der sie heimlich aus Glotzaugen betrachtet hatte, schrak zusammen, als Glenda ihn ansprach.
»Jetzt brauche ich einen härteren Drink.«
»Kein Problem. Was?«
»Einen Scotch.«
»Aber immer.«
»Vom Besten, bitte.«
»Ich verkaufe keinen Schrott.«
»Trotzdem.«
»Wie Sie wollen.«
Er war leicht pikiert, vergaß aber nicht, seinen Blick von Glenda zu nehmen, als er ihr das Glas zuschob. Er sah eine dunkelhaarige junge Frau mit einem netten Gesicht, ebenfalls dunklen Augen.
Zudem eine Frau mit guter Figur, vor allen Dingen nicht so knochig wie die bei den Laufstegschwalben. Wer Glenda im Arm hielt, der hatte was zum Anfassen. Sie trug eine dreiviertellange kamelhaarfarbene Jacke, darunter ein brombeerfarbenes Oberteil und eine schwarze Hose mit leicht ausgestellten Beinen. In die Umgebung hier passte Glenda wie eine Heizung am Äquator.
Sie trank den Whisky, der wahrlich nicht zu den besten zählte, aber er vertrieb zumindest beim ersten Schluck den widerlichen Modergeschmack aus ihrem Mund.
Das Wasser trank sie auch und meinte, während sie dem Wirt in die gierigen Augen schaute: »Eine seltsame Frau war das schon.«
»Betty Brown?«
»Ach, so heißt sie.«
»Ja.«
»Und sie lebt tatsächlich auf dem Hof?«
Der Mann nickte. »Da steht ein kleines Haus, Irgendwann wird es mal abgerissen werden, da bin ich mir sicher. Sie renovieren ja überall,
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