1199 - In den Klauen des Ghouls
völlig andere Szenerie betreten.
Das war kein Hinterhof mehr, das glich einem offenen Gelände, das an der gegenüberliegenden Seite von einer Straße begrenzt wurde, auf der zahlreiche Autos fuhren. Dazwischen aber standen Häuser, Baracken, Anbauten, kleine Firmen hatten hier ihre Heimat gefunden. Autos parkten kreuz und quer. Menschen gingen ihrer Arbeit nach. Es wurde ein- und ausgeladen. Ein Truck stand an einer Rampe. Ein Gabelstapler brachte die Ladung, die unter seiner Plane verschwand. Es waren farbig angemalte Fässer.
Und mitten in diesem Chaos stand das Haus. Klein und windschief. Wie vergessen. Als hätte man es einem Märchenbuch entrissen und hier aufgebaut.
Ein graues Dach, graue Mauern, ein stumpfer Schornstein, der sich nach oben reckte, aus dem aber kein Rauch quoll. Scheiben, die selbst beim Licht der Sonne nicht glänzten, und eine Tür, die ebenfalls sehr grau aussah.
Da wohnte Betty Brown, da musste sie einfach wohnen. Es gab für Glenda keine andere Lösung.
Kein Fenster stand offen, auch die Tür war verschlossen, und Glenda fragte sich, wie man in dieser Umgebung nur existieren konnte, denn ruhig war es hier nie.
Natürlich gab es auch die obligatorischen Mülltonnen. Sie standen in Glendas Nähe und quollen nicht über.
Das Haus wirkte auf sie wie ein Magnet. Sie musste einfach hingehen, ob sie es wollte oder nicht.
So schief gebaut, so schräg, mit den kleinen Fenstern in der ersten Etage, die kaum mehr als Luken waren. Vor der Tür lag ein Gitterrost, auf dem sich die Besucher die Füße abtreten konnten.
Ob vor den Fenstern Gardinen hingen, war nicht zu erkennen, aber das machte auch nichts. Glenda spürte, dass dieses Haus ein Geheimnis barg. Wenn sie mit der Frau sprach, war es vielleicht möglich, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen oder sich ihm zumindest einen Schritt zu nähern.
Sie hatte nicht das Gefühl, beobachtet zu werden. Die Menschen, die sich im Freien aufhielten, hatten genug mit ihrem Job zu tun. Sie achteten nicht auf die Umgebung.
Je näher Glenda dem Haus kam, umso schneller klopfte ihr Herz. Etwas warnte sie auch, doch sie konnte einfach nicht anders. Sie musste mehr von dieser Betty Brown erfahren, die sie seltsamerweise faszinierte. Zumindest hatte sie einen starken Eindruck bei Glenda hinterlassen.
Vor der Tür blieb sie stehen. Hier gab es nichts zu sehen, an dem sich das Auge eines Menschen erfreuen konnte. Alles war grau in grau und würde auch so bleiben.
Nach einer Klingel suchte sie vergeblich. Wer hier hineinwollte, der musste anklopfen oder sich anderweitig bemerkbar machen. Glenda wollte klopfen und hatte den Arm schon halb erhoben, wobei sie sich fragte, warum sie dies überhaupt tat und sich selbst keine normale Antwort geben konnte.
Sie erschrak, als die Tür plötzlich von innen aufgerissen wurde.
Betty Brown stand vor ihr.
Die hellen Knöpfe auf ihrem dunklen Kleid glänzten. Das Gesicht war zu einem schiefen Lächeln verzogen. »Ich wusste, dass Sie zu mir kommen würden. Treten Sie ein…«
***
Ich hatte an diesem Morgen nicht besonders gut gefrühstückt und war auch sonst nicht der Wachste gewesen. Es konnte am Wetter liegen, denn von Südwesten wurde warme Luft herangeschaufelt, was im Februar keinem Menschen gut tat. Viele Leute waren erkältet, klagten über Grippe, und ich war nicht mal traurig darüber, einen Tag im Büro verbringen zu können.
Den letzten Fall hatten Suko und ich abgehakt. Er war rätselhaft genug gewesen und hatte uns wie im Märchen in einen tiefen Wald geführt, zu Varunas Hexenreich.
Es gibt immer wieder Tage, wo liegen gebliebene Dinge aufgearbeitet werden müssen. Da fühlt man sich dann als Geisterjäger wie ein Bürohengst und wünscht sich schon nach zwei, drei Stunden die Action herbei.
Zumindest erging es mir so. Außerdem machte mich die Büroluft müde, so musste ich einige Male gähnen, und Suko sah sich gezwungen, mir eine Schlafkur zu empfehlen.
»Nein, ich brauche frische Luft.«
»Dann geh spazieren.«
Zuerst blickte ich die Akten fast böse an. Es waren auch Spesenabrechnungen von mir dabei. Ich hatte sie zwar schon ausgefüllt, aber was jetzt folgte, behagte mir gar nicht. An höherer Stelle hatte man sich wieder neue Verordnungen einfallen lassen und Gesetze leicht geändert, die jeder Beamte auf seinen Schreibtisch bekam, um sie zu lesen und sich gewisse Punkte einzuprägen.
Davor »ekelte« ich mich fast. Dieser Beamtenkram war nichts für mich. Deshalb galt mein zweiter
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