12 – Das Raetsel von Chail
bedrückt dich?«
Natürlich wusste er das längst, doch er konnte schlecht zugeben, dass er die Gedanken anderer las. Maton war ein wenig verlegen und druckste herum, kam dann aber doch auf sein Anliegen zu sprechen. Sein Gegenüber hörte geduldig zu und verglich das, was der Besucher sagte mit dem, was er gedacht hatte. Wie er vermutet hatte, ergaben sich kleine Unterschiede – nichts Gravierendes, aber immerhin.
»Ihr habt gut daran getan, euer Kind nicht zur Hütte eines Uralten zu bringen«, sagte Crusok, nachdem der andere geendet hatte. »Die Traditionen der Dörfler sind verderblich für Syrgan und seine Bewohner.«
»Aber trotzdem ist Kytor verschwunden, als hätte sie sich in Luft aufgelöst. Wie ist das möglich? Stehen wir unter der Gedankenkontrolle der Uralten?«
»Kein Meditierender liest die Gedanken anderer«, log Crusok. »Außerdem stellt sich die Frage so nicht.« Er tat, als müsse er nachdenken. Wie immer kam es ihm nicht darauf an, einem anderen zu helfen – er konnte es ohnehin nicht. Ihm ging es lediglich darum, sein Gefolge zu vergrößern.
»Niemand vermag die Vergangenheit zu ändern und Geschehenes ungeschehen zu machen«, antwortete der Meditierende nach einer Weile leidenschaftslos. Er hob die Stimme, sie bekam einen scharfen Unterton. »Aber man muss das, was die Uralten tun, nicht einfach hinnehmen. Wir müssen ihre Macht brechen, jeder muss das wollen und dafür eintreten – auch du und deine Gefährtin. Gedanken und Worte allein genügen nicht, es müssen Taten folgen.«
Crusok machte eine Pause, um seine Worte wirken zu lassen. »Benta und du, ihr wünscht euch doch ein eigenes Kind?«
Maton blickte auf. Der andere deutete den Blick richtig.
»Es gehört nicht viel dazu, um einen solchen Wunsch zu erraten, er ist verständlich, doch solange die Traditionen Gültigkeit haben, wird es bei dem Wunsch bleiben.« Von scheinbarer Erregung gepackt, sprang er auf, da er wusste, dass solche Gefühlsausbrüche meist überzeugender waren als Argumente. »Du und die anderen Bürger von Syrgan – ihr müsst zusammenstehen. Verjagt die Meditierenden und die Uralten in den Dörfern, schaltet sie aus, bevor sie euch vernichten!« Schwer atmend ließ sich Crusok auf den Schemel sinken. »Das Ziel aller Chailiden ist es, eine Familie zu gründen und eigene Kinder zu haben. Euch und den anderen Städtern enthält man das vor. Mit welchem Recht? Seid ihr weniger wert als die Bewohner der Dörfer? Warum lasst ihr euch unterdrücken?«
Er blickte sein Gegenüber durchdringend an. »Besitzt du eine Waffe, Maton?«
Der Sammler bejahte.
»Warum benutzt du sie dann nicht? Kennst du eine ehrenhaftere Aufgabe für einen Mann? Oder ein höheres Ziel?«
»Ich glaube, du hast recht, Crusok«, sagte der junge Chailide beeindruckt. Er stand auf. »Ich danke dir, du hast mir sehr geholfen.«
Nachdenklich verließ Maton das Haus. Crusok blickte ihm aus zusammengekniffenen Augen nach. Er wusste, dass er in Wirklichkeit nicht geholfen hatte, das Problem des Jüngeren zu lösen. Er hatte ihn vielmehr davon abgelenkt, seinen unterschwelligen Hass geschürt und ihn in seiner Vorstellung bestärkt.
Crusok lächelte. Zwar war es mit seiner Meditation nicht weit her, aber von Beeinflussung verstand er etwas. Durch seine Kenntnis der intimsten Gedanken anderer wäre es ihm ein leichtes gewesen, seine Anhängerschar durch Erpressung und Bedrohung zu vergrößern, doch davon wollte er nichts wissen. Wer ihm folgte, tat das aus freien Stücken, wobei die meisten ohnehin nur die Parolen nachplapperten, ohne über Hintergrundinformationen zu verfügen. Es gab einige wenige, die weiterdachten, aber sie hießen seine Ziele gut bis auf ein paar Ausnahmen. Diese wenigen beunruhigten Crusok nicht. Sie steckten bereits so tief in der Sache drin, dass sie es nicht wagen würden, den Mund aufzumachen oder gegen ihn zu agieren.
Crusok stand auf. Der Tag war nicht mehr fern, an dem er sein Ziel erreichen würde.
12.
Seit nunmehr vier Tagen lebten die Solaner und der Arkonide in Snowars Haus. Sie fühlten sich durchaus wohl in Syrgan und genossen das bunte Treiben, doch Atlan bereitete es zunehmend Sorge, dass sie keine Funkverbindung zur SOL hatten und es Bjo Breiskoll immer noch nicht gelungen war, mit Akitar telepathischen Kontakt aufzunehmen. Gleichzeitig stimmte es ihn nachdenklich, dass die Roxharen sie völlig unbehelligt ließen, ja geradezu ignorierten. Sollte das Überlegenheit gegenüber den drei Fremden
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