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12 – Das Raetsel von Chail

12 – Das Raetsel von Chail

Titel: 12 – Das Raetsel von Chail Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Atlan
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Vergleich zu den Dörfern ein Hort der Toleranz und Barmherzigkeit sein.
    Überraschend war, dass er den für ihn Fremden, die er doch erst wenige Stunden kannte, derartige Dinge anvertraute und sie ganz offensichtlich nicht nur als Gäste sondern auch als Freunde betrachtete. Ob das mit ihrem Raumfahrerstatus zusammenhing?
    »Du bist sehr offen zu uns, Snowar«, meinte der Aktivatorträger. »Wäre das auch der Fall, wenn wir Roxharen wären?«
    »Du hättest sie besser unerwähnt gelassen.« Der Chailide wirkte auf einmal verschlossen. »Ich zeige euch jetzt die Zimmer. Elgin wird euch auch etwas zu essen bringen.«

11.
     
    Das stabile, aber bescheiden wirkende eingeschossige Ziegelhaus Crusoks lag an der Peripherie Syrgans in einer Nebenstraße. Wirkte das Gebäude noch durchschnittlich, so besaß der Hof Ausmaße, die überraschten. Er diente den zahlreichen Anhängern des Meditierenden als Versammlungsort, wenn dieser im Schatten einer mächtigen Pinie seine Erkenntnisse verkündete – und deren gab es nicht wenige. Es verging kein Tag, an dem Crusok seinen andächtig lauschenden Artgenossen nicht etwas mitzuteilen hatte.
    Wie so häufig saß der Chailide in seinem speckig glänzenden Lederumhang auf einer Bank unter dem Baum und redete zu seinen knapp hundert Zuhörern. Eine Handvoll Jünger, die sich für seine treuesten Diener hielten, sorgten währenddessen dafür, dass es ihrem Idol an nichts mangelte.
    »Syrgan ist zum Untergang verurteilt«, donnerte Crusok. »Wollt ihr etwa, dass unsere Stadt stirbt?«
    Ein vielstimmiges »Nein!«, war die Antwort.
    »Und doch wird es so kommen.« Er schlug pathetisch die sechsfingrigen Hände vors Gesicht. Als er weitersprach, hatte seine Stimme einen schwermütigen Klang. »Es gibt nicht viele junge Chailiden, die nach ihrer Bewährungszeit als Jäger und Sammler nach Syrgan zurückkehren. Sie haben Kontakt mit Dörflern gehabt, und sie wissen, dass sie Ziehkinder sind, die aus Dörfern stammen, also kehren sie dorthin zurück.«
    Der Chailide spreizte die Beine und stützte sich auf, als drückte ihn eine ungeheure Last. Wie gebannt verfolgten die Versammelten jede seiner Bewegungen. Sein Gesicht nahm einen gequälten Ausdruck an.
    »Seht euch nur in Syrgan um. Wie viele Familien kennt ihr, die leibliche Kinder haben? Zwei? Drei? Warum leben in Syrgan, in Ushun und in anderen Städten fast nur Ziehkinder, während auf den Dörfern nur jedes hundertste Kind ein Ziehkind ist?« Er machte eine umfassende Handbewegung. Grollend fuhr er fort: »Ihr seid mitschuldig daran, denn wie die tumben Dorfbewohner tragt ihr eure Neugeborenen ins nächste Dorf zur Hütte eines Uralten und bekommt dafür ein Findelkind. Warum brecht ihr nicht mit dieser verkrusteten Tradition, die in der Stadt längst jeden Sinn verloren hat? Wann erkennt ihr endlich die Zusammenhänge?«
    Betroffenheit spiegelte sich auf den Gesichtern der Zuhörer. Es war mucksmäuschenstill.
    »Begreift ihr denn nicht, dass die Dörfler und die Uralten unter einer Decke stecken?« Erregt sprang Crusok auf. »Sie sind die Wurzel allen Übels. Was hindert uns daran, so zu leben wie wir wollen? Wer nimmt euch eure Kinder weg?« Er holte tief Luft, dann brüllte er: »Warum lasst ihr euch das gefallen? Warum fegt ihr diese erstarrte Ordnung nicht einfach hinweg?«
    Tosender Beifall setzte ein, Hochrufe wurden laut, einige geballte Fäuste reckten sich zum Himmel.
    »Nieder mit den Dörflern, nieder mit den Uralten!«, rief die Menge begeistert. »Hoch lebe Crusok!«
    Mit einer gebieterischen Handbewegung brachte der Meditierende seine Artgenossen zum Schweigen. »Denkt immer daran: Syrgan kann nur leben, wenn ihr mit allen Traditionen brecht, denn sie sind schlecht für euch und nützen nur den Dorfbewohnern und den Uralten; ihr müsst begreifen, dass man euch nur ausnutzt. Werft endlich die Fesseln überkommender Vorstellungen ab, dann gehört euch die Zukunft.«
    Wieder brandete Applaus auf. Diesmal wartete Crusok, bis er abebbte. »Geht jetzt«, sagte er dann. »Es wird Zeit für meine Meditation!«
    Die Menge zerstreute sich nur langsam. Die meisten Zuhörer standen noch eine Weile in Gruppen zusammen und diskutierten erregt. Die Hitzköpfe waren dafür, sich zusammenzurotten und mit Waffengewalt gegen die ländlichen Siedlungen und die Uralten vorzugehen. Andere, die nicht ganz so gewalttätig waren und Blutvergießen vermeiden wollten, schlugen vor, jedem Dörfler, der sich in Syrgan blicken ließ, eine

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