Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
12 - Die Nadel der Götter

12 - Die Nadel der Götter

Titel: 12 - Die Nadel der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Fröhlich
Vom Netzwerk:
Reisezeit war einmal mehr das Wetter. Einerseits sorgte das Dauerprasseln auf der Windschutzscheibe dafür, dass Tom nicht schneller als siebzig Stundenkilometer fahren konnte. Andererseits war es dort, wo noch Verkehr herrschte, zu Unfällen gekommen. Blechknäuel verhinderten ein Weiterkommen, zumal die Wagenlenker es vorgezogen hatten, einfach abzuhauen. Von Räumfahrzeugen, Polizei oder Krankenwagen war nur in den seltensten Fällen etwas zu sehen. Mehrfach mussten sie umkehren und nach einer Ausweichroute suchen. Einmal entdeckten sie in einem Wrack noch den Fahrer, eingeklemmt zwischen Lenkrad und Sitz. Er war tot. McDevonshire wählte den Notruf, stieß dort aber nur auf eine Warteschleife.
    Während des Rests der Fahrt ging Tom das Gesicht des toten Fahrers nicht mehr aus dem Sinn. Wie lange mochte er gelitten haben? Wäre er noch am Leben, wenn sich jemand um ihn gekümmert hätte?
    Tom machte eine merkwürdige Feststellung: Es war tragisch, wenn die Nachrichten wie erst heute Morgen vom Ausbruch eines Vulkans in Indonesien mit Tausenden von Toten berichteten. Dennoch handelte es sich dabei um bloße, nicht fassbare Zahlen. Der Anblick dieser einen Leiche jedoch führte Tom die Dringlichkeit seiner Aufgabe nachdrücklich vor Augen.
    »Und wenn es ein Tor ist?«, riss Maria Luisa den Archäologen aus seinen Gedanken. Um McDevonshires langen Beinen ausreichend Freiheit zu gönnen, hatte sie auf der Rücksitzbank Platz genommen. Nun beugte sie sich zwischen Fahrer- und Beifahrersitz vor.
    »Was?«
    »Der Eiffelturm. Wenn er nicht die Nadel der Götter ist, sondern nur ein Tor zum zeitlosen Raum? Wir wollten doch vermeiden, dass die Weltuntergangsmaschine diesen Toren zu nahe kommt.«
    »Richtig. Aber das war, bevor der Mann in Weiß die Maschine so aufgeladen hat, dass sie ihren Zweck auch ohne weitere Energiezufuhr erfüllt. Außerdem …« Tom unterbrach sich. War der Gedanke nicht zu abwegig, um ihn laut auszusprechen?
    »Außerdem was?«, fragte Spencer McDevonshire vom Beifahrersitz, ohne den Blick von der Straße zu nehmen.
    »Wenn der Turm nur einen Zugang zu diesem Raum darstellt, gedenke ich ihn zu benutzen. Vielleicht können uns die Wesen helfen, die darin existieren.«
    »Aber die konnte bisher nur Jandro sehen!«, gab Maria Luisa zu bedenken.
    »Ich weiß. Aber sie können uns sehen. Und hoffentlich auch verstehen.«
    »Wenn sie wirklich existieren. Wer weiß, was Jandro dort zu sehen geglaubt hat?«
    »Hoffen wir auf das Beste.«
    Tom versank wieder in seiner Gedankenwelt. Er wollte keine Diskussion über Eventualitäten führen.
    Am Spätnachmittag erreichten sie endlich Paris. Und bereits in dem Augenblick, als sie den Eiffelturm zum ersten Mal durch die Windschutzscheibe ihres Wagens sahen, machte sich Enttäuschung breit. Denn der Armreif wies rechts daran vorbei!
    »O nein«, stöhnte Maria Luisa.
    »Warte erst mal ab«, sagte Tom, obwohl er es besser wusste. »Wir sind in Bewegung und ich kann den Arm nicht ruhig halten.«
    McDevonshire schwieg. Doch die Ernüchterung war ihm deutlich anzusehen.
    Die Straßen von Paris glichen einem Kriegsschauplatz. Qualmende Autowracks, zerschlagene Schaufensterscheiben, Müll, wohin man sah. Folgen der Unruhen, von denen Tom im Radio gehört hatte. Gelegentlich sah er ein verängstigtes Gesicht hinter einem Fenster auftauchen, aber genauso schnell wieder verschwinden.
    Bei all dem Chaos auf der Straße blieb ihm nichts anderes übrig, als langsam zu fahren und die Hindernisse zu umkurven. Autowracks, Fahrräder, einmal sogar ein Pferdekadaver. Unglaublich, wie sich manche Menschen im Angesicht des vermeintlich sicheren Weltuntergangs benahmen.
    Tom lenkte den Renault um die nächste Kurve, wie es das Smartphone in der Halterung an der Windschutzscheibe vorschlug.
    Zwischen zwei umgestürzten Müllcontainern traten drei grobschlächtige Männer hervor und bauten sich auf der Straße auf. Sie waren so muskelbepackt, dass die Arme vom Körper abstanden, obwohl sie anlagen. Der Regen kümmerte sie nicht. Sie grinsten boshaft und entblößten dabei mehr Lücken als Zähne.
    »Vorschläge?« Tom stoppte den Wagen in großem Abstand von den Kerlen.
    »Hinter uns kommen auch welche«, sagte Maria Luisa. Ihre Stimme klang panisch.
    Ein Blick in den Rückspiegel verriet den Grund: Der Schlägertrupp hatte sie bereits erreicht. Ein besonders widerlicher Geselle, dem man seinen Gestank ansehen konnte, streckte die Hand nach der hinteren Tür aus.
    Tom drosch auf den

Weitere Kostenlose Bücher