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12 - Die Nadel der Götter

12 - Die Nadel der Götter

Titel: 12 - Die Nadel der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Fröhlich
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vertäute Boote. Beide verfügten über einen Außenbordmotor.
    Sie enterten das Exemplar, das ihnen besser erhalten zu sein schien. Um nicht wegen Benzinmangel auf halber Strecke liegenzubleiben, nahmen sie vorsichtshalber zwei Ruder mit an Bord.
    Eine unnötige Maßnahme, wie sich herausstellte. Der Motor sprang anstandslos an und tuckerte noch brav, als sie Bandar Abbas erreichten. Nur der zunehmend aufgewühlte Seegang bereitete ihnen während der letzten Kilometer einige Schwierigkeiten. Die Ausstrahlung der Maschine? Tom ging davon aus.
    Immer wieder klatschten Wellen gegen das Boot und schlugen sogar ins Innere. Sie tanzten auf und ab und auf und ab. Nur mit Mühe konnte er seinen Magen überreden, die Croissants des Frühstücks in Lyon für sich zu behalten. Hatte er tatsächlich schon so lange nichts mehr gegessen? Alleine der Gedanke daran verursachte ihm erneute Übelkeit.
    Auch die beiden anderen Passagiere wirkten nicht gerade glücklich. Aber auch sie bissen die Zähne zusammen und beschwerten sich nicht. Trotzdem war ihnen die Erleichterung anzumerken, als sie anlegten und wieder festen Boden unter die Füße bekamen.
    Auch wenn die Lichter in den Häusern verrieten, dass sich in Bandar Abbas Menschen aufhielten, wirkten die Straßen verlassen.
    Die Gefährten hatten auf Höhe des Basars angelegt, der sich zwei Kilometer entlang des Meeres erstreckte. Tom wusste, dass es dort nach Einbruch der Dunkelheit, wenn die Stadt aus ihrem Hitzeschlaf erwachte, sonst vor Leuten wimmelte. Doch diesmal wimmelte gar nichts. Kein Wunder bei Temperaturen eines hochsommerlichen Tages in einer Winternacht. Bandar Abbas wirkte wie ein schlummernder Gigant und nicht wie Kriegsgebiet. Dennoch blieben sie vorsichtig.
    Zu Toms Erleichterung gab die Weltuntergangsmaschine nur noch ein leichtes Summen von sich. Die Visionen hatten aufgehört. Geblieben war ihr übler Gestank in seinem Bewusstsein.
    In der Nähe des Basars fanden sie ein Hotel, dessen Beleuchtung brannte. Tom schätzte, dass Mitternacht vorüber war. Der Iran lag drei oder vier Stunden vor Mitteleuropa. Dazu noch der Aufenthalt im zeitlosen Raum, wie lange auch immer der gedauert haben mochte, und die Überfahrt von Hormus. Doch, das sollte ungefähr hinkommen.
    Der Tresen in der Lobby war nicht besetzt. Erst nachdem Tom gefühlte vierzigmal auf die Klingel gedrückt hatte, kam ein unrasierter, unausgeschlafen wirkender Mann mit lichtem Haar aus einem Nebenraum. Er musterte sie mit unverhohlener Neugier. Offenbar konnte er sich nur schwer vorstellen, dass es sich bei ihnen um Gäste handelte.
    Sein Gesichtsausdruck änderte sich auch nicht, als Tom auf Englisch sagte: »Wir hätten gerne ein Einzel- und ein Doppelzimmer.«
    Sekundenlang starrte der Mann sie nur an, wobei seine interessiertesten Blicke Maria Luisa galten. »Sie verheiratet?«, fragte er schließlich in brüchigem Englisch.
    »Nein«, antwortete Tom, während die Spanierin gleichzeitig »Ja« sagte.
    »Ja«, korrigierte Tom, während Maria Luisa auf »Nein« verbesserte.
    »Sie kein Doppelzimmer«, erklärte der Hotelier. »Sie drei Einzelzimmer.«
    Der Archäologe stimmte zu.
    Als der Mann am Tresen in eindeutiger Geste die Finger gegeneinander rieb, zog Tom aus der Tasche das restliche Geldbündel, das sie Pauahtun abgenommen hatten. Der Hotelier starrte die Euroscheine an, als läge Spielgeld vor ihm.
    Mit einem hörbaren Seufzen zog Spencer McDevonshire ein Portemonnaie hervor und schnippte eine Kreditkarte auf den Tresen.
    Fünf Minuten später saßen sie endlich in einem ihrer Zimmer mit defekter Klimaanlage. Zwischen ihnen auf dem Tisch lag eine ausgebreitete Landkarte, die Tom aus einem der Ständer in der Lobby mitgenommen hatte.
    »Und wofür brauchen wir die?«, fragte der Ex-Commissioner.
    »Wie sollen wir sonst eine Peilung vornehmen, sobald sich die Erdfeldlinien auf die Nadel der Götter verschieben?«, antwortete Tom.
    »Wie bitte?«, sagten Maria Luisa und McDevonshire wie aus einem Mund.
    Da erst wurde Tom bewusst, dass er auf Wissen zurückgriff, über das er nicht verfügen durfte.
    Die Berührung deines Geistes im zeitlosen Raum! Die Archivare haben dich damit geimpft!
    Also erklärte er seinen Gefährten die Hintergründe und war selbst derjenige, der sich am fasziniertesten zuhörte. »Die Erde wird durchzogen von Kraftlinien. Aus ihnen speist sich die Maschine. Diese Kraft allein reicht nicht aus, den Kometen zur Erde zu holen. Es existieren jedoch Punkte, an denen sich

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