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12 - Im Auge des Tigers

12 - Im Auge des Tigers

Titel: 12 - Im Auge des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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diese Zeit für die Schule fertig. Aber Little Jack musste zur Arbeit. Kürzlich war ihm der Gedanke gekommen, dass er auf dem College 266

    zum letzten Mal wirklich Ferien gehabt hatte. Klar, erwachsen zu werden und sein Leben selbst in die Hand zu nehmen, war der Traum aller kleinen Jungen und Mädchen.
    Aber wenn es dann irgendwann so weit war, gab es kein Zurück mehr. Dieses Jeden-Tag-zur-Arbeit-Gehen erwies sich wirklich als Schinderei. Na schön, man wurde dafür bezahlt – aber er, der Sprössling einer hoch gestellten Familie, war bereits reich. In seinem Fall hatte sein Vater das Geld schon verdient – nur dass er, Jack, nicht der Typ war, der sich ins gemachte Nest hockte, alles verprasste und sich nicht auf eigene Beine stellte. Er räumte seine leere Kaffeetasse in die Spülmaschine und ging ins Bad, um sich zu rasieren.
    Noch so eine elende Plackerei. Verdammt, als Teenie freute man sich, wenn sich der erste Flaum dunkel färbte und borstig wurde, und dann fing man an, sich ein- oder zweimal in der Woche zu rasieren, meist vor einem Date. Aber jeden verdammten Morgen – das war echt nervig!
    Jack erinnerte sich, dass er seinem Vater früher dabei zu-gesehen hatte, wie Jungs es oft tun, und sich dachte, wie schön es doch wäre, erwachsen zu sein. Blödsinn! Erwachsenwerden war die ganzen Scherereien wirklich nicht wert.
    Es war besser, eine Mom und einen Dad zu haben, die den ganzen Verwaltungsscheiß für einen regelten. Und trotzdem…
    Er arbeitete nun an wichtigen Sachen, und das brachte auch eine gewisse Befriedigung mit sich. Wenn er nur schon über all den Kleinscheiß hinaus wäre, der dazu ge-hörte. Also: sauberes Hemd, Krawatte und Krawattennadel auswählen, Jackett überziehen und Abmarsch. Wenigstens besaß er ein tolles Auto. Vielleicht sollte er sich noch ein zweites zulegen. Ein Cabrio wäre nicht schlecht. Der Som-mer nahte, und es wäre cool, sich die Haare im Wind zer-zausen zu lassen – solange nicht irgendein Perverser mit seinem Messer das Verdeck aufschlitzte, man sich mit der Versicherung herumschlagen musste und der Wagen für 267

    drei Tage in der Werkstatt verschwand. Im Grunde genommen war es mit dem Erwachsenwerden nicht anders als mit dem Kaufen von Unterwäsche: Jeder brauchte sie, aber niemand konnte viel damit anfangen, außer sie auszu-ziehen.
    Die Fahrt zur Arbeit war ihm inzwischen ebenso zur Routine geworden wie früher die Fahrt zum College – mit dem Unterschied, dass er sich keine Sorgen mehr um Prüfungen zu machen brauchte. Nur dass er heute, wenn er was ver-masselte, seinen Job los wäre, und dieser Makel würde ihm erheblich länger anhaften als ein »Ungenügend« in Soziolo-gie. Folglich durfte er es nicht vermasseln. Das Problem an diesem Job lag darin, dass er jeden Tag Neues dazulernte, statt vorhandenes Wissen anzuwenden. Dabei hieß es immer, auf dem College lernte man fürs Leben – von wegen, ein Riesenschwindel war das! Für seinen Dad war das bestimmt kein Geheimnis – und seine Mom las eine medizinische Fachzeitschrift nach der anderen, um sich weiterzubil-den. Nicht nur amerikanische Zeitschriften, auch englische und sogar französische, denn sie konnte ziemlich gut Französisch und sagte, die Ärzte dort seien sehr kompetent.
    Kompetenter als die Politiker jedenfalls. Andererseits – wer Amerika nach seinen Politikern beurteilte, musste wohl auch zu dem Schluss kommen, die USA seien eine Nation von Versagern. Spätestens seit sein Dad nicht mehr im Wei-
    ßen Haus saß.
    Er hörte wieder einmal NPR – zum einen, weil er den Nachrichtensender gut fand, und zum anderen, weil er keine Lust auf aktuelle Popmusik hatte. Er war mit dem Klavierspiel seiner Mutter aufgewachsen – hauptsächlich Bach und Co. gelegentlich als Zugeständnis an die Moderne auch mal ein bisschen John Williams. Der hatte allerdings mehr für Blech als für Elfenbein komponiert.
    Schon wieder ein Selbstmordattentat in Israel. Verdammt, sein Dad hatte sich so dafür ins Zeug gelegt, dass da endlich mal Ruhe einkehrte. Aber trotz ernsthafter Bemühun-268

    gen – sogar von Seiten der Israelis – war am Ende alles wieder den Bach runtergegangen. Die Juden und die Muslime kamen offenbar einfach nicht miteinander aus. Sein Dad und Prinz Ali bin Sultan hatten regelmäßig darüber gesprochen. Sie waren so frustriert gewesen. Der Prinz war kein Thronfolger – sein Glück, wie Jack fand, denn König zu sein, war bestimmt noch schlimmer, als Präsident zu sein –, blieb

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