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12 - Im Auge des Tigers

12 - Im Auge des Tigers

Titel: 12 - Im Auge des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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in Afghanistan her gewesen war, hatten jemals den offenen Versuch unternommen, Frauen und Kinder zu töten, zumindest seines Wissens nicht. Sie waren Barbaren, das auf jeden Fall, aber diese Barbaren schienen Grenzen zu kennen. Die Leute, mit denen bin Sali zusammenspielte, waren da offensichtlich aus anderem Holz geschnitzt. Was diese Kerle abgezogen hatten, war einfach nicht männlich – selbst ihr Bartschnitt war nicht männlich. Die Barte der Afghanen waren es durchaus, aber dieser bin Sali sah aus wie ein Zuhälter.
    Kurzum: Dieser Typ war unter der Würde eines Marines.
    Bin Sali war kein Mann, der getötet, sondern eine Kakerla-ke, die zertreten werden musste. Mochte er auch einen Wagen fahren, der mehr kostete, als ein Captain der Marines in zehn Jahren verdiente – und zwar brutto. Ein Offizier des Marine Corps sparte vielleicht auf eine Corvette, und dieses Stück Scheiße musste neben den Edelnutten, die er sich für teures Geld mietete, auch noch den Enkel von James Bonds Superschlitten haben. Wie immer man den Typen bezeichnen mochte – als ›Mann‹ jedenfalls nicht, sagte sich der Marine, der sich mit diesen Gedanken unbewusst auf seine Mission einstimmte.
    »Auf geht’s«, sagte Dominic und legte das Geld für ihre Getränke auf den Tisch. Beide standen auf und entfernten sich zunächst ein Stück von der Zielperson. An der Ecke blieben sie stehen und drehten sich um, als schauten sie nach etwas. Da war bin Sali…
    … und da war bin Salis Schatten. Gekleidet wie jemand, der hier arbeitete, also teuer. Er war ebenfalls aus einem Pub gekommen, stellte Dominic fest. Er war tatsächlich ein Anfänger. Zwar hielt er einen Abstand von etwa 50 Metern ein, aber sein Blick war zu offensichtlich auf die Zielperson 444

    gerichtet. Er schien sich keinerlei Sorgen zu machen, von ihr entdeckt zu werden. Wahrscheinlich war bin Sali nicht in Spionageabwehr geschult und deshalb nicht gerade die wachsamste Zielperson. Offenbar wähnte er sich vollkommen sicher. Und bestimmt kam er sich auch mächtig schlau vor. Jeder Mensch hatte seine Illusionen. In diesem Fall würden sie sich allerdings als besonders folgenschwer erweisen.
    Die Brüder sahen sich auf der Straße um. In ihrem direkten Blickfeld bewegten sich hunderte von Menschen. Auf der Straße fuhren zahllose Autos. Die Sicht war gut – fast ein bisschen zu gut, aber bin Sali verhielt sich, als ob er sich ihnen mutwillig präsentierte. Eine solche Gelegenheit durfte man sich einfach nicht entgehen lassen…
    »Plan A, Enzo?«, fragte Brian rasch. Sie hatten sich drei Pläne zurechtgelegt und ein Zeichen für den Abbruch der Mission vereinbart.
    »Roger, Aldo. Dann mal los.« In der Hoffnung, bin Sali würde den Pub ansteuern, dessen miserablen Kaffee sie sich gerade angetan hatten, trennten sich die zwei und gingen in entgegengesetzte Richtungen. Beide trugen Sonnenbrillen, damit man nicht erkennen konnte, in welche Richtung sie blickten. Enzo richtete seine Aufmerksamkeit auf bin Salis Beschatter. Für den Kerl war das Ganze vermutlich Routine pur, denn höchstwahrscheinlich folgte er bin Sali schon seit Wochen, und man konnte unmöglich so lange etwas tun, ohne in einen gewissen Trott zu verfallen. Mit anderen Worten: Er glaubte, schon im Voraus zu wissen, was die Zielperson als Nächstes tun würde, und achtete gleichzeitig nicht genügend auf seine Umgebung. Schließlich operierte er in London, vermutlich auf heimischem Terrain, das er wie seine Westentasche zu kennen meinte und wo er glaubte nichts zu befürchten zu haben. Schon wieder eine verhängnisvolle Illusion. Dieser Bursche hatte nichts weiter zu tun, als eine nicht besonders reizvolle Zielperson zu beobachten, die man im Thames House aus unerfindlichen 445

    Gründen interessant fand. Die Gewohnheiten der Zielperson waren hinreichend bekannt, und sie stellte für niemanden eine Gefahr dar, zumindest nicht auf diesem Terrain.
    Ein verwöhntes reiches Jüngelchen, nichts weiter. Gerade hatte bin Sali die Straße überquert und wandte sich nun nach links. Es sah ganz so aus, als wäre heute Shopping angesagt. Schuhe für eine seiner Freundinnen, vermutete der Mann vom Security Service. Kostspieligere Geschenke, als er sich für seine bessere Hälfte leisten konnte, und das, obwohl er verlobt war, grollte der Agent innerlich.
    Im Fenster war ein schönes Paar Schuhe ausgestellt, schwarzes Leder mit goldenen Spangen. Uda hüpfte mit jungenhaftem Elan auf den Gehsteig und steuerte auf den Eingang

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