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12 - Im Auge des Tigers

12 - Im Auge des Tigers

Titel: 12 - Im Auge des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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suspekt. »Sir, wenn ich so etwas sagen würde wie Sie gerade – das käme ja einem Mordgeständnis gleich, und das in einem offiziellen Dokument einer Bundesbehörde. Er hat das Messer genommen, er ist aufgestanden, um auf mich loszugehen, und er war nur um die vier Meter entfernt. In Quantico hat man uns beigebracht, so etwas als unmittelbar lebensbedrohliche Situation einzustufen. Ich habe ihn erschossen, und das war gerechtfertigt – in Übereinstimmung mit den FBI-Richtlinien zum Einsatz tödlicher Gewalt.«
    Werner nickte. »Sie haben Jura studiert?«
    »Ja, Sir. Ich bin sowohl in Virginia als auch in D. C. bei Gericht als Anwalt zugelassen. Für Alabama fehlt mir noch die entsprechende Prüfung.«
    »Dann lassen Sie den Juristen jetzt mal für eine Minute 46

    stecken«, forderte Werner. »Der Schusswaffengebrauch war in Ihrem Fall gerechtfertigt. Ich habe übrigens den Revolver, mit dem ich den Bastard damals umgelegt habe, heute noch. Smith Model 66. Ich trage ihn sogar manchmal im Dienst. Dominic, Sie hatten die Gelegenheit, etwas zu tun, das jeder Agent gern wenigstens ein Mal in seiner Laufbahn täte: Sie haben ganz allein Gerechtigkeit geübt. Machen Sie sich deswegen keine Vorwürfe.«
    »Bestimmt nicht, Sir«, versicherte Caruso. »Dieses kleine Mädchen, Penelope – ich konnte sie nicht retten, aber wenigstens hat der Hundesohn so was zum letzten Mal getan.« Er blickte Werner direkt in die Augen. »Sie wissen, was für ein Gefühl das ist.«
    »Ja.« Werner musterte Caruso eingehend. »Und Sie sind sicher, dass Sie keine Reue verspüren?«
    »Ich habe den Flug hierher zu einem einstündigen Nickerchen genutzt, Sir.« Als er das sagte, war nicht der Ansatz eines Lächelns auf seinem Gesicht zu erkennen.
    Dafür aber auf Werners, als er das hörte. Er nickte. »Also, der Chef wird Ihre Aktion offiziell absegnen. Die Sache geht nicht an das OPR.«
    Das Office of Professional Responsibility war die »Abteilung Innere Sicherheit« des FBI. Es genoss bei allen Chargen zwar durchweg Respekt, aber keineswegs besondere Sympathie. In der Behörde kursierte die Redensart: »Wenn einer kleine Tiere quält und das Bett nässt, ist er entweder ein Serienmörder oder einer vom OPR.«
    Werner nahm Carusos Akte in die Hand. »Hier steht, Sie sind ein cleverer Bursche… dazu gute Sprachkenntnisse…
    Interesse an einem Job in Washington? Ich suche für meine Abteilung Leute, die was auf dem Kasten haben und nicht lange fackeln.«
    Schon wieder umziehen, war Special Agent Dominic Carusos erster Gedanke.

    47

    Gerry Hendley war kein Typ für große Förmlichkeiten. Er erschien zwar mit Jackett und Krawatte bei der Arbeit, aber spätestens 15 Sekunden, nachdem er das Büro betreten hatte, landete das Jackett am Garderobenständer. Hendley hatte eine ausgezeichnete Chefsekretärin, Helen Conolly, die aus South Carolina stammte wie er selbst. Nachdem er mit ihr den Terminplan des Tages besprochen hatte, überflog er die Titelseite des Wall Street Journal. Zuvor hatte er bereits die aktuelle New York Times und die Washington Post verschlungen – um sich politisch auf den neuesten Stand zu bringen – und daran wie immer einiges auszusetzen. Mit einem Blick auf die Digitaluhr auf seinem Schreibtisch stellte er fest, dass ihm bis zu seinem ersten Termin noch 20
    Minuten blieben. Er fuhr seinen Computer hoch, um auch noch den Early Bird des Morgens zu empfangen – den Nachrichtenservice für leitende Regierungsbeamte bis hinauf zum Präsidenten, in dem die aktuellen Agentur- und Pressemeldungen des Tages zusammengestellt waren.
    Hendley vergewisserte sich, ob ihm bei seiner morgendlichen Lektüre der wichtigsten Zeitungen etwas entgangen war. Nicht viel, nur ein interessanter Bericht im Virginia Pilot über die Fletcher Conference, ein Round-Table-Gespräch, das Navy und Marine Corps alljährlich in der Norfolk Navy Base abhielten. Das Thema war der Terrorismus, und was die Teilnehmer dazu zu sagen hatten, war gar nicht dumm, wie Hendley fand. Das kam bei Leuten in Uniform häufiger vor – im Gegensatz zu gewählten Politikern.
    Als es mit der Sowjetunion zu Ende ging, haben wir erwartet, dass in der Welt Ruhe einkehrt, dachte Hendley. Aber eins haben wir dabei vergessen: all die Irren, die immer noch ihre AK-47
    im Schrank haben und in ihren Waschküchenlabors rumwerkeln –
    oder auch einfach nur willens sind, ihr eigenes Leben aufs Spiel zu setzen, um das ihrer vermeintlichen Feinde auszulöschen.
    Und noch etwas

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