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12 - Im Auge des Tigers

12 - Im Auge des Tigers

Titel: 12 - Im Auge des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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und Caruso hatte immerhin kürzlich die erste Kerbe in den Griff seiner Magnum Automatik geritzt – natürlich nur bildlich gesprochen –, wie es die FBI-Agenten untereinander flapsig ausdrückten.
    Der stellvertretende Leiter Augustus Ernst Werner hatte sein Büro in der obersten Etage, von wo aus man auf die Pennsylvania Avenue hinunterblicken konnte. Die Sekretä-
    rin winkte Caruso gleich hinein.
    Caruso war Gus Werner noch nie begegnet. Werner war hoch gewachsen und schlank, ein außerordentlich erfahrener Einsatzagent, Ex-Marine und in Erscheinung und Auftreten geradezu mönchisch. Er hatte das Geisel-Befreiungsteam des FBI und zwei Einsatzabteilungen geleitet und wollte gerade in den Ruhestand treten, als der Chef der Behörde – Daniel E. Murray, ein guter Freund von ihm
    – ihn zu diesem Job überredete. Die Antiterror-Abteilung war ein Stiefkind der wesentlich größeren Abteilungen für Kriminalität und Spionageabwehr, das jedoch täglich an Bedeutung gewann.
    »Setzen Sie sich«, sagte Werner mit einer entsprechenden Handbewegung und beendete rasch sein Telefongespräch.
    Er legte den Hörer auf und drückte die NICHT-STÖREN-Taste.
    »Ben Harding hat mir das hier gefaxt«, begann Werner und hielt den Bericht über den Vorfall am vergangenen Tag hoch. »Was ist da passiert?«
    »Das steht alles da drin, Sir.« Dominic hatte sich geschla-44

    gene drei Stunden lang das Hirn zermartert, um den ganzen Vorgang in korrektem FBI-Bürokratinesisch niederzu-schreiben. Merkwürdig, dass man so lange brauchte, um einen Hergang zu erklären, der selbst nicht einmal 60 Sekunden gedauert hatte.
    »Und was haben Sie darin verschwiegen, Dominic?« Diese Frage wurde von dem durchdringendsten Blick begleitet, dem der junge Agent jemals ausgesetzt gewesen war.
    »Nichts, Sir«, antwortete Caruso.
    »Dominic, wir haben im Bureau ein paar ausgezeichnete Pistolenschützen. Ich selbst darf mich dazu zählen«, eröffnete Gus Werner seinem Besucher. »Drei Schüsse aus einer Entfernung von fünf Metern, und alle ins Herz, das ist schon eine reife Leistung. Für jemanden, der gerade über ein Tischchen gestolpert ist, grenzt es allerdings an ein Wunder. Ben Harding fand offenbar nichts dabei, Director Murray und ich hingegen sehr wohl. Dan ist ebenfalls ein ziemlich guter Schütze. Er hat dieses Fax gestern Abend gelesen und mich gebeten, dazu Stellung zu nehmen. Dan hat noch nie jemanden umgelegt. Ich schon, dreimal.
    Zweimal mit dem Geisel-Befreiungsteam – also gewissermaßen eine Gemeinschaftstat – und einmal in Des Moines, Iowa. Da ging es auch um Kidnapping. Ich habe damals mit eigenen Augen gesehen, was dieser Kerl zweien seiner Opfer – alles kleinen Jungen – angetan hatte, und wissen Sie was: Ich wollte einfach nicht, dass nachher irgend so ein Psychiater den Geschworenen verklickert, der Mann sei Opfer einer schwierigen Kindheit, das sei alles gar nicht seine Schuld und was sonst noch für eine Scheiße geredet wird in diesen netten, sauberen Gerichtsverhandlungen, wo die Geschworenen allenfalls Bilder zu sehen kriegen – und wenn die Anwälte den Richter davon überzeugen, dass sich dadurch die Gemüter zu sehr erhitzen würden, oft nicht mal die. Wissen Sie, was damals passiert ist? In diesem Moment war ich das Gesetz, nicht jemand, der das Gesetz vertritt oder erlässt oder auslegt – an diesem Tag vor zwei-45

    undzwanzig Jahren war ich das Gesetz! Gottes Racheschwert. Und soll ich Ihnen was verraten? Es war ein verdammt gutes Gefühl!«
    »Woher wussten Sie…«
    »Woher ich wusste, dass der Kerl der Gesuchte war? Er sammelte Andenken. Köpfe. Acht davon fand ich in seinem Wohnwagen. Es gab also nicht den Schatten eines Zweifels.
    Da lag ein Messer. Ich forderte den Burschen auf, es in die Hand zu nehmen, und als er gehorchte, jagte ich ihm aus einer Entfernung von gut drei Metern vier Schüsse m die Brust. Ich habe es nie auch nur eine Sekunde lang bereut.«
    Werner schwieg für einen Moment. »Nicht viele Leute kennen diese Geschichte. Nicht mal meiner Frau habe ich davon erzählt. Also versuchen Sie nicht, mir weiszumachen, Sie wären über ein Tischchen gestolpert, hätten Ihre Smith gezogen und den Täter auf einem Bein stehend mit drei Schüssen ins Herz niedergestreckt, klar?«
    »Ja, Sir«, erwiderte Caruso zweideutig. »Mr Werner…«
    »Ich heiße Gus«, korrigierte ihn der stellvertretende FBI-Chef.
    »Sir«, beharrte Caruso. Vorgesetzte, die sich mit dem Vornamen anreden ließen, waren ihm

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