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12 - Im Auge des Tigers

12 - Im Auge des Tigers

Titel: 12 - Im Auge des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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als über den Kerl, der die Wäsche abholen kommt. Diese Leute kennen weder Namen noch Fakten, noch wissen sie etwas über eine feindliche Organisation – was sage ich, sie wissen nicht mal, dass es jemand darauf anlegt, sie auszuschalten.«
    »Trotzdem – der Junge verhält sich nicht professionell«, beharrte Granger. »Wenn er entdeckt wird…«
    »Na und? Was soll dann schon groß sein?«, konterte Bell.
    »Ich weiß, ich bin nur ein Bürohengst und kein Einsatzagent. Aber das ändert nichts an den Gesetzen der Logik.
    Die Gegenseite weiß nichts über den Campus, kann gar nichts über uns wissen. Selbst wenn 56MoHa misstrauisch werden sollte, wäre es eben nur ein unbestimmtes Miss-trauen ohne konkreten Gegenstand, und das hat so jemand wahrscheinlich ohnehin im Blut. Man kann sich als Agent doch nun mal nicht vor allem und jedem fürchten. Solange 572

    unsere Leute also in ihrer Anonymität bleiben, haben sie nichts zu befürchten, es sei denn, sie würden eine echte Dummheit begehen – und für dumm halte ich diese Jungs nun wirklich nicht.«
    Hendley hatte diesen Wortwechsel reglos verfolgt und nur den Blick zwischen den beiden hin und her wandern lassen. Jetzt hatte er eine Ahnung davon, wie sich der ›M‹
    der James-Bond-Filme fühlen musste. Der Chefposten hatte gewiss seine Vorzüge, aber er war auch mit Belastungen verbunden. Sicher, er besaß diese Blanko-Begnadigung vom Präsidenten, aber das hieß nicht, dass er scharf drauf war, sie zu benutzten. Dann wäre er erst recht ein Geächteter, und die Medien würden ihn bis an sein Lebensende gnadenlos verfolgen – nicht das, was er sich unter einem schö-
    nen Leben vorstellte.
    »Hauptsache, sie kommen nicht auf die Idee, sich als Ser-vicepersonal zu verkleiden und ihn in seinem Hotelzimmer zu erledigen«, dachte Hendley laut.
    »Also, wenn sie so blöd wären, dann wären sie in Deutschland schon im Knast gelandet«, hielt Granger ihm entgegen.
    Dank des Schengener Abkommens war der Grenzübertritt nach Italien kein größerer Akt als ein Ausflug von Tennessee nach Virginia. In Tarvisio, der ersten italienischen Stadt, durch die sie fuhren, sahen die Leute eher wie Deutsche aus als wie Sizilianer. Von dort ging es auf der A23 in südwestlicher Richtung weiter. Von Autobahnkreuzen verstand man hier offenbar immer noch nicht viel, stellte Dominic fest, aber immerhin waren die Straßen heutzutage besser als in den fünfziger Jahren zur Zeit der berühmten Mille Miglia. Diese Straßenrennen waren schließlich eingestellt worden, weil es immer wieder zu tödlichen Unfällen mit den Zuschauern am Straßenrand kam. Die Landschaft glich der in Österreich, und auch an den Bauernhäusern war kaum ein Unterschied festzustellen. Alles in allem war es 573

    landschaftlich sehr schön, ähnlich wie in Tennessee oder im Westen Virginias, mit sanften Hügeln und Kühen, die wahrscheinlich zweimal täglich gemolken wurden, um Kinder auf beiden Seiten der Grenze zu ernähren. Als Nächstes kam Udine, dahinter Mestre, dann wechselten sie auf die A4 nach Padua. Von dort aus war es nur noch eine Stunde Fahrt über die A13, bis sie Bologna erreichten. Als Brian die Apenninen zu ihrer Linken sah, empfand der Soldat in ihm ein leichtes Schaudern – diese Berge mussten als Schlachtfeld die Hölle sein. Doch dann lenkte ihn sein knurrender Magen von diesen trüben Gedanken ab.
    »Stell dir vor, Enzo, in jeder Stadt, an der wir vorbeikommen, gibt es mindestens ein tolles Restaurant – klasse Pasta, Spitzenkäse, Kalb alla francese, einen unglaublichen Weinkeller…«
    »Ich könnte auch was zu essen vertragen, Brian. Wir haben aber leider eine Mission zu erfüllen.«
    »Ich hoffe nur, dieser Dreckskerl ist es wert, dass wir sei-netwegen auf italienisches Essen verzichten, Mann.«
    »Es kommt uns nicht zu, mit unserem Schicksal zu ha-dern, Bruderherz«, belehrte ihn Dominic.
    »Deine Predigten kannst du dir sonstwohin stecken.«
    Dominic musste lachen. Er konnte gut nachempfinden, was in seinem Bruder vorging. Das Essen in München und in Wien war schon hervorragend gewesen, aber hier befanden sie sich in der Heimat der guten Küche. Sogar Napole-on hatte auf seine Feldzüge einen italienischen Koch mitgenommen, und auf diesen einen Mann ließ sich fast die gesamte moderne französische Cuisine zurückführen – so, wie alle Rennpferde in direkter Linie von einem Araberhengst namens Eclipse abstammten. Und er, Dominic, wusste nicht einmal den Namen dieses Mannes.

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