12 - Im Auge des Tigers
Steine. Sind halt lästig, die Viecher.«
»Sind sie gefährlich – ich meine, richtig gefährlich?«
»Nur wenn man sich besonders blöd anstellt, und selbst dann stirbt man meist nicht gleich dran. Man ist ein paar Tage lang krank, weiter nichts. Aber mit einem Schlangen-biss zu laufen, ist ziemlich schmerzhaft. – Wir warten hier ein paar Minuten. Wir sind etwas zu früh dran. Ach ja –
willkommen in Amerika, amigo. «
»Heißt das, dieser Zaun da ist die Grenze?«, fragte Mustafa verblüfft. »Sonst ist da nichts?«
»Der norteamericano ist reich, o ja, und clever, aber faul ist er auch. Meine Leute würden ja nicht nach Amerika gehen, wenn es dort nicht Arbeit gäbe, für die der Gringo zu faul ist.«
»Und wie viele Leute schmuggeln Sie nach Amerika ein?«
»Ich? Tausende. Etliche tausend. Ich werde gut dafür bezahlt. Ich besitze ein hübsches Haus, und sechs andere coyotes arbeiten für mich. Die Gringos sind hauptsächlich hinter den Leuten her, die Drogen über die Grenze schmuggeln, und das ist nicht mein Ding. Zu viele Scherereien, das ist es nicht wert. Das lasse ich zwei meiner Männer machen. Die Bezahlung ist sehr gut, müssen Sie wissen.«
»Was für Drogen?«, fragte Mustafa.
»Wofür ich bezahlt werde.« Er grinste und nahm noch einen Schluck aus der Wasserflasche.
Mustafa wandte sich zu Abdullah um, der sich gerade zu ihnen gesellte.
»Ich dachte, es würde ein harter Fußmarsch«, bemerkte der Neuankömmling.
»Nur für Stadtleute«, erwiderte Ricardo. »Dies hier ist mein Land. Ich bin ein Sohn der Wüste.«
»Ich ebenfalls«, erklärte Abdullah. »Ein herrlicher Spaziergang.« Unnötig hinzuzufügen: besser als eine Fahrt im Lastwagen.
Ricardo steckte sich noch eine Newport an. Er mochte 233
Mentholzigaretten – der Rauch reizte den Hals nicht so.
»Richtig heiß wird es frühestens in einem Monat, vielleicht auch erst in zweien. Dann kann die Hitze allerdings mörderisch sein, und man tut gut daran, reichlich Wasser mitzunehmen. Hier draußen sind schon Leute ohne Wasser in der Augusthitze umgekommen. Aber niemand von meinen Leuten. Ich achte immer darauf, dass alle genug Wasser dabeihaben. Mutter Natur kennt keine Liebe und keine Gnade«, bemerkte der coyote. Am Ende dieser Strecke gab es einen Ort, wo er sich ein paar cervezas genehmigen konnte. Danach fuhr er ostwärts weiter nach El Paso. Von dort aus würde er in sein gemütliches Haus in Ascensión zu-rückkehren – zu weit von der Grenze entfernt, als dass er sich dort mit Auswanderungswilligen hätte herumärgern müssen, die die schlechte Angewohnheit hatten, allerlei zu stehlen, wovon sie dachten, dass sie es für die Grenzüberquerung vielleicht brauchen könnten. Er fragte sich, wie viel sie wohl drüben bei den Gringos mitgehen ließen –
doch das war schließlich nicht sein Problem. Er rauchte seine Zigarette zu Ende und stand auf. »Noch drei Kilometer, Freunde.«
Mustafa und seine Gefährten reihten sich wieder hinter ihm ein und setzten ihren Marsch nach Norden fort. Nur noch drei Kilometer? Zu Hause war der Weg zur nächsten Bushaltestelle weiter.
Zahlen in die Tastatur zu hacken, war ungefähr so vergnüglich, wie nackt durch ein Kaktusfeld zu rennen. Jack war ein Mensch, der geistige Anregung brauchte, und er gehörte durchaus nicht zu den Leuten, die einer Ermittlungstätigkeit in Sachen Wirtschaftsprüfung etwas Derartiges abgewinnen konnten.
»Na, langweilig?«, fragte Tony Wills.
»Und wie!«, bestätigte Jack.
»Tja, so sieht nun mal der nachrichtendienstliche Alltag aus. Selbst aufregende Sachen sind im Detail meist ziemlich 234
stumpfsinnig. Richtig spannend wird es höchstens, wenn man einem besonders gewieften Fuchs auf der Spur ist, der einem immer wieder entwischt. Das kann dann auch mal richtig Spaß machen – allerdings kein Vergleich mit Einsatzarbeit, bei der man ganz konkret draußen vor Ort hinter der Zielperson her ist. So was hab ich aber nie gemacht.«
»Dad auch nicht«, bemerkte Jack.
»Darüber scheiden sich die Geister. Ihren Dad hat es durchaus hin und wieder dorthin verschlagen, wo es ordentlich zur Sache ging. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass ihm das besonders gefallen hat. Hat er denn nie darüber gesprochen?«
»Nicht ein einziges Mal. Ich glaube, selbst Mom weiß nicht viel darüber. Na ja, außer der Sache mit dem Atom-U-Boot, aber darüber habe ich auch hauptsächlich in Bü-
chern und so gelesen. Als ich Dad mal danach fragte, sagte er nur:
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