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12 - Im Auge des Tigers

12 - Im Auge des Tigers

Titel: 12 - Im Auge des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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›Glaubst du etwa alles, was du in der Zeitung liest‹
    Selbst als dieser Russe, Gerasimov, im Fernsehen war, hat Dad nur geknurrt.«
    »In Langley hieß es, er war ein Top-Agent. Hat alle Geheimnisse pflichtgemäß für sich behalten. Aber die meiste Zeit über arbeitete er oben in der Chefetage. So weit hab ich es nie gebracht.«
    »Vielleicht können Sie mir was verraten.«
    »Was denn?«
    »Gerasimov, Nikolai Borissovich Gerasimov – war der wirklich der Chef vom KGB? Und hat mein Dad ihn tatsächlich aus Moskau rausgeschleift?«
    Wills zögerte einen Moment lang, doch es hatte keinen Sinn, auszuweichen. »Ja, er war KGB-Vorsitzender, und ja, Ihr Dad hat ihn dazu gebracht, überzulaufen.«
    »Ohne Scheiß? Wie zum Teufel hat Dad das denn bewerkstelligt?«
    »Das ist eine lange Geschichte, und Sie haben keine Freigabe dafür.«
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    »Und warum hat er Dad dann gelinkt?«
    »Weil er ein Überläufer wider Willen war. Ihr Dad hat ihn gezwungen, zum Verräter zu werden. Nachdem Ihr Vater dann Präsident geworden war, wollte Gerasimov die Rechnung begleichen, und er hat gesungen – nicht gerade wie ein Kanarienvogel, aber gesungen hat er jedenfalls. Jetzt ist er im Zeugenschutzprogramm. Ab und zu nehmen sie ihn sich mal wieder vor, damit er weitersingt. Die Leute, die man einkassiert hat, erzählen einem nie alles auf einmal, darum muss man sich immer wieder mit ihnen beschäftigen. Das gibt ihnen das Gefühl, wichtig zu sein, und das reicht für gewöhnlich, damit sie noch ein bisschen mehr ausplaudern. Glücklich ist der Mann hier allerdings nicht.
    Nach Hause kann er aber nicht zurück, die würden ihn sofort abknallen. In Sachen Landesverrat sind die Russen von jeher nachtragend. Na ja, sind wir ja auch. Das Letzte, was ich von ihm hörte, war, dass er mit Golfspielen angefangen hat. Seine Tochter ist mit irgendeinem reichen Aris-tokratenarsch in Virginia verheiratet. Sie hat sich inzwischen zu einer echten Amerikanerin entwickelt, aber ihr Dad wird als unglücklicher Mann sterben. Er wollte sich die Sowjetunion unter den Nagel reißen – ich meine, er war wirklich scharf auf den Job –, und das hat Ihr Vater, Jack, ihm ein für alle Mal vermasselt. Deshalb grollt Nick bis heute.«
    »Verdammich.«
    »Was Neues über bin Sali?«, erkundigte sich Wills und lenkte das Gespräch damit wieder auf die Gegenwart.
    »Ein paar Kleinigkeiten – hier mal fünfzigtausend, da mal achtzigtausend – Pfund, nicht Dollar. Auf Konten geflossen, von denen ich nicht viel weiß. Er verbrät wöchentlich so zwischen zweitausend und achttausend Pfund – für ihn wohl ein Taschengeld.«
    »Woher stammt das Geld?«, fragte Wills.
    »Nicht ganz klar, Tony. Ich denke, er schöpft vom Familienvermögen was ab, vielleicht zwei Prozent, die er als Aus-236

    gaben abschreiben kann. Gerade so wenig, dass sein Vater nicht darauf aufmerksam wird, dass der Junge Mom und Dad beklaut. Wie die wohl reagieren würden, wenn sie es wüssten?«, spekulierte Jack.
    »Sie würden ihm wohl kaum die Hand abhacken, aber sie könnten etwas noch Schlimmeres tun: ihm den Geldhahn zudrehen. Gibt’s irgendwelche Hinweise darauf, dass der Bursche für seinen Lebensunterhalt arbeitet?«
    »Sie meinen richtige Arbeit?« Jack lachte kurz auf. »Kann ich mir nicht so recht vorstellen. Der schiebt ’ne ruhige Kugel und lebt davon in Saus und Braus – von echter Arbeit hält der bestimmt nichts. Ich war schon oft in London.
    Wüsste nicht, wie man sich da mit harter Arbeit über Wasser halten sollte.«
    Wills summte vor sich hin: »How you gonna keep ’em down on the farm after they seen Paree«
    Jack errötete. Er hasste es, ständig als Söhnchen aus reichem Elternhaus abgestempelt zu werden. »Hören Sie mal, Tony – ja, ich weiß, ich stamme aus einer betuchten Familie, aber Dad hat immer dafür gesorgt, dass ich in den Ferien jobbe. Ich war sogar mal zwei Monate lang auf dem Bau.
    Hat Mike Brennan und seinen Kollegen natürlich ordentlich das Leben schwer gemacht. Dad wollte nun mal, dass ich mitkriege, wie es ist, richtig zu arbeiten. Am Anfang fand ich es schrecklich, aber im Rückblick denke ich, es war ganz gut so. Unser Mr bin Sali hat so was nie gemacht. Ich meine, wenn es sein müsste, könnte ich mir mit einem ganz norma-len Einsteigerjob selbst meinen Lebensunterhalt verdienen.
    Für diesen Burschen hier wäre das wesentlich härter.«
    »Okay, wie viel Geld insgesamt, dessen Verbleib unklar ist?«
    »Vielleicht zweihunderttausend Pfund –

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