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12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

Titel: 12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gebracht.“
    „Sind sie hier in Baadri?“
    „Ja.“
    „Und heißen Pali, Selek und Melaf?“
    Er tat überrascht einen Schritt zurück.
    „Du kennst sie?“
    „Wie hieß der Nemtsche, den du meinst?“
    „Kara Ben Nemsi wurde er genannt.“
    „So ist mein Name. Dieser Mann hier ist Mohammed Emin, der Scheik der Haddedihn, und der andere ist Halef, mein Begleiter.“
    „Ist es möglich? Welch eine Überraschung! Seni gerek olarim – ich muß dich umarmen!“
    Er zog mich an sich und küßte mich auf beide Wangen; dasselbe tat er auch mit Mohammed und Halef, nur daß er bei letzterem den Kuß unterließ. Dann faßte er mich bei der Hand und sagte:
    „Tschelebim mahalinde geldin – Herr, du kommst zur rechten Zeit. Wir haben ein großes Fest, bei welchem man nicht Fremde zuzulassen pflegt; du aber sollst dich mit uns freuen. Bleibe hier, so lange die fröhlichen Tage dauern, und auch später noch recht lange!“
    „Ich bleibe, so lange es dem Scheik gefällt.“
    „Es wird ihm gefallen.“
    „Du mußt wissen, daß sein Herz ihn vorwärts treibt, wie wir dir noch erzählen werden.“
    „Ich weiß es. Aber tretet herein. Mein Haus ist euer Haus, und mein Brot ist euer Brot. Ihr sollt unsere Brüder sein, so lange wir leben!“
    Während wir durch die Tür schritten, hörte ich Ifra zu dem Gemeindeältesten sagen:
    „Hast du es gehört, Alter, was mein Effendi für ein berühmter Emir ist? Lerne, auch mich danach zu schätzen. Merke dir das!“
    Das Gemach, welches wir betraten, war sehr einfach ausgestattet. Ich und der Scheik mußten zur Seite Ali Beys Platz nehmen. Dieser hatte meine Hand noch immer nicht losgelassen und betrachtete mich abermals sehr aufmerksam.
    „Also du bist der Mann, welcher die Feinde der Haddedihn geschlagen hat!“
    „Willst du meine Wange schamrot machen?“
    „Und der des Nachts ohne alle Hilfe einen Löwen tötete! Ich möchte sein, wie du! Du bist ein Christ?“
    „Ja.“
    „Die Christen sind alle mächtiger als andere Leute; aber ich bin auch ein Christ.“
    „Sind die Dschesidi Christen?“
    „Sie sind alles. Die Dschesidi haben von allen Religionen nur das Gute für sich genommen – – –“
    „Weißt du das gewiß?“
    Er zog die Brauen zusammen.
    „Ich sage dir, Emir, daß in diesen Bergen keine Religion allein zu herrschen vermag; denn unser Volk ist zerteilt, unsere Stämme sind gespalten, und unsere Herzen sind zerrissen. Eine gute Religion muß Liebe predigen; aber eine freiwillige, aus dem Innern hervorwachsende Liebe kann bei uns nicht Wurzeln schlagen, weil der Acker aus dem Boden des Hasses, der Rachsucht, des Verrates und der Grausamkeit zusammengesetzt ist. Hätte ich die Macht, so würde ich die Liebe predigen, aber nicht mit den Lippen, sondern mit dem Schwert in der Faust; denn wo eine edle Blume gedeihen soll, da muß zuvor das Unkraut ausgerottet werden. Oder meinst du, daß eine Predigt imstande sei, aus einem Zehr-lahana (Giftkraut) eine Karanfil (Nelke) zu machen? Der Gärtner kann die Blüte der Giftpflanze füllen und verschönern, das Gift aber wird im Innern heimtückisch verborgen bleiben. Und ich sage dir, die Predigt meines Schwertes sollte Lämmer aus Wölfen machen. Wer diese Predigt hört, würde glücklich sein; wer ihr aber widerstrebt, den würde ich zermalmen. Dann erst könnte ich das Schwert in die Scheide stecken und zu meinem Zelt heimkehren, um mich meines Werkes zu freuen. Denn wenn sie einmal eingezogen ist, so ist es wahr, was das heilige Buch der Christen sagt: Muhabbet bitmez – die Liebe hört nie auf!“
    Sein Auge leuchtete, seine Wange hatte sich gerötet, und der Ton seiner Stimme kam aus der Tiefe eines vollen Herzens heraus. Er war nicht nur ein schöner, sondern auch ein edler Mann; er kannte die traurigen Verhältnisse seines Landes und hatte vielleicht das Zeug zu einem Helden.
    „Du glaubst also, daß die christlichen Prediger, welche aus der Ferne kommen, hier nichts zu wirken vermögen?“ fragte ich nun.
    „Wir Dschesidi kennen euer heiliges Buch. Dieses sagt: ‚Chüdanün söz tschekidsch dir, bi tschatlar taschlar – das Wort Gottes ist ein Hammer, welcher Felsen zertrümmert.‘ Aber kannst du mit einem Hammer das Wasser zermalmen? Kannst du mit ihm die Dünste zerschmettern, welche dem Sumpf entsteigen und das Leben töten? Frage die Männer, welche aus Jeni dünja (Amerika) herübergekommen sind! Sie haben viel gelehrt und gesprochen; sie haben schöne Sachen geschenkt und verkauft;

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