12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem
Fleisch, drei Lot Butter, fünf Lot Reis, ein Lot Salz und anderthalb Lot Zutaten täglich, außerdem auch noch Seife, Öl und Stiefelschmiere. Verstehst du mich? Und wenn du über meine Nase lachst, die ich nicht mehr habe, so werde ich dir erzählen, wie sie mir abhanden gekommen ist! Das war damals, als wir vor Sebastopol standen; ich befand mich im dicksten Kugelregen, und – – –“
„Ich habe keine Zeit, dich anzuhören. Soll ich es dem Bey sagen, daß du mit ihm reden willst?“
„Sage es ihm. Doch vergiß nicht, zu erwähnen, daß ich mich nicht abweisen lasse!“
Meine Person war also der Gegenstand dieser lauten Unterhaltung. Ich trat ein, Mohammed Emin und Halef hinter mir. Der Kiajah stand eben im Begriff, eine Tür zu öffnen, drehte sich aber bei unserem Erscheinen um.
„Da kommt der Emir selbst“, meinte Ifra. „Er wird dir zeigen, wem du zu gehorchen hast!“
Ich wandte mich zunächst zu dem Buluk Emini:
„Du hier! Wie kommst du so ganz allein nach Baadri?“
Sein Gesicht zeigte eine kleine Verlegenheit, doch blieb er mir die Antwort nicht schuldig:
„Habe ich dir nicht gesagt, daß ich voranreiten würde, Exzellenz?“
„Wo sind die andern?“
„Iflemisch – verschwunden, verduftet, weggeblasen!“
„Wohin?“
„Ich weiß es nicht, Hoheit.“
„Du mußt es doch gesehen haben!“
„Nur ein wenig. Als der Gefangene entfloh, jagten alle hinter ihm her, auch meine Leute und die Arnauten.“
„Warum du nicht?“
„Benim eschek – mein Esel wollte nicht, Herr. Und außerdem mußte ich doch nach Baadri, um dir Quartier zu machen.“
„Hast du den entflohenen Gefangenen genau angesehen?“
„Wie konnte ich. Ich lag ja mit dem Angesicht zur Erde, und als ich mich erhob, um der Jagd zu folgen, war er bereits weit fort.“
Dies war mir sehr lieb, der Sicherheit Mohammed Emins wegen.
„Werden die anderen bald nachkommen?“
„Wer weiß es! Allah ist unerforschlich; er führt den Gläubigen dahin und dorthin, nach rechts und nach links, wie es ihm gefällt, denn die Wege des Menschen sind im Kitab takdirün, in dem Buch der Vorsehung, verzeichnet.“
„Ist Ali Bey hier?“ fragte ich jetzt den Dorfältesten.
„Ja.“
„Wo?“
„Bu kapu escheri – hinter dieser Tür.“
„Ist er allein?“
„Ja.“
„Sage ihm, daß wir ihn sprechen wollen!“
Während er in das andere Gemach ging, stieß Ifra den kleinen Halef in die Seite und sagte leise, nach Mohammed Emin blinzelnd:
„Wer ist dieser Araber?“
„Ein Scheik.“
„Wo kommt er her?“
„Wir haben ihn gefunden. Er ist ein Freund meines Sihdi und wird jetzt bei uns bleiben.“
„Wer tschok Bakschischler – gibt er viele Trinkgelder?“
„Bu kadar – so viel!“ meinte Halef, indem er alle zehn Finger emporstreckte.
Das war dem guten Buluk Emini genug, wie ich seiner vor Zufriedenheit strahlenden Miene anmerkte. Jetzt öffnete ich die Tür, und der Dorfälteste kehrte zurück. Hinter ihm erschien ein junger Mann von sehr schöner Gestalt. Er war hoch und schlank gewachsen, hatte regelmäßige Gesichtszüge und ein Paar Augen, deren Feuer überraschend war. Er trug eine fein gestickte Hose, ein reiches Jäckchen und einen Turban, unter welchem eine Fülle der prächtigsten Locken hervorquoll. In seinem Gürtel befand sich nur ein Messer, dessen Griff von sehr kunstvoller Arbeit war.
„Chosch geldin demek – seid willkommen!“ sagte er, indem er zunächst mir, dann dem Scheik und endlich auch Halef die Hand reichte. Den Baschi-Bozuk aber schien er gar nicht zu bemerken.
„Mazahl bujurum sultanum – vergib mir, Herr, daß ich dein Haus betrete“, antwortete ich. „Der Abend ist nahe, und ich wollte dich fragen, ob es in deinem Gebiet eine Stelle gibt, an welcher wir unser Haupt zur Ruhe legen können.“
Er betrachtete mich sehr aufmerksam von dem Kopf bis herab zu den Füßen und erwiderte dann:
„Man soll den Wanderer nicht fragen, woher und wohin. Aber mein Kiajah sagte mir, daß du ein Emir seist.“
„Ich bin kein Araber und kein Türke, sondern ein Nemtsche, weit vom Abendland her.“
„Ein Nemtsche? Ich kenne dieses Volk nicht und habe auch noch keinen von ihnen gesehen. Aber ich habe von einem Nemtsche gehört, den ich sehr gern kennenlernen möchte.“
„Darf ich dich fragen, warum?“
„Weil drei von meinen Männern ihm das Leben zu verdanken haben.“
„Inwiefern?“
„Er hat sie aus der Gefangenschaft befreit und zu den Haddedihn
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