Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

Titel: 12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
sie haben sogar als Buchdrucker gearbeitet. Und die Leute haben sie angehört, haben ihre Geschenke genommen, haben sich taufen lassen, und dann sind sie hingegangen, um zu rauben, zu stehlen und zu töten, wie vorher. Das heilige Buch wurde in unserer Sprache gedruckt, aber kein Mensch verstand den Dialekt, und kein Mensch hier kann schreiben oder lesen. Glaubst du, daß diese frommen Männer uns das Schreiben und das Lesen lehren werden? Unsere Feder darf jetzt nur von scharfem Stahl sein. Oder gehe nach dem berühmten Kloster Rabban Hormuzd, welches einst den Nestorianern gehörte. Jetzt gehört es den Katuliklar (Katholiken), welche Alkosch und Telkef bekehrten. Einige arme Mönche verhungerten auf der dürren Höhe, auf welcher zwei nackte Ölbäume das Dasein des Verschmachtens leben. Warum ist es so und nicht anders? Es fehlt der Jeboschu (Josua), welcher da gebietet: ‚Günesch ile kamer, sus hem Gibbea jakinda hem dere Adschala – Sonne, stehe still bei Gibeon und, Mond, im Tal von Ajalon!‘ Es fehlt der Held Schimsa (Simson), welcher die Bösen mit dem Schwert zwingt, Gutes zu tun. Es fehlt Tschoban Dawud (Hirt David), der mit seiner Schleuder den Mörder Dscholiah erschlägt. Es fehlt die Flut, welche die Gottlosen ertränkt, damit Nauah (Noah) mit den Seinen niederknien könne vor Allah unter dem Bogen der sieben Farben. Steht in eurem Buch nicht: ‚Insanlar dscheza estemez-ler dan ruhuma – die Menschen wollen sich von meinem Geist nicht strafen lassen?' – Wäre ich ein Musa (Moses), so würde ich meinen Jeboschu und meinen Kaleb durch alle Täler Kurdistans senden und dann mit meinen Schwert jenen die Wege ebnen, von denen euer Kitab sagt: ‚Wazar-lar sallami, der-ler ughurü – sie predigen den Frieden, und sie verkünden das Heil!‘ – Du blickst mich an mit großen Augen; du meinst, der Friede sei besser als der Krieg und die Schaufel besser als die Keule? Ich meine es auch. Aber kannst du dir den Frieden denken, ohne daß er mit dem Säbel errungen ist? Müssen wir hier nicht die Keule tragen, um mit der Schaufel arbeiten zu können? Sieh dich an, nur dich allein! Du trägst sehr viele Waffen an dir, und sie sind besser als diejenigen, welche wir besitzen. Warum trägst du sie? Trägst du sie im Land der Nemtsche auch, wenn du eine Reise unternimmst?“
    „Nein“, mußte ich allerdings antworten.
    „Da siehst du! Ihr könnt zur Kilise (Kirche) gehen und zu Allah beten ohne Sorge; ihr könnt euch zum Lehrer setzen und auf seine Stimme hören ohne Angst; ihr könnt eure Eltern ehren und eure Kinder unterweisen ohne Furcht; ihr lebt im Garten Eden unverzagt, denn eurer Schlange ist der Kopf zertreten. Wir aber warten noch des Helden, welcher stillen und beruhigen soll das ‚Schamata arasynda daghlere – das Geschrei in den Bergen‘, von dem euer Buch erzählt. Und ich sage dir, daß er noch kommen wird. Nicht der Russe wird es sein und auch nicht der Engländer, nicht der Türke, der uns aussaugt, und auch nicht der Perser, der uns so höflich belügt und betrügt. Wir glaubten einst, Bonapertah werde es sein, der große Schah der Franzosen; jetzt aber wissen wir, daß der Löwe nicht vom Adler Hilfe erwarten soll, denn das Reich beider ist verschieden. Hast du einmal gehört, was die Dschesidi gelitten haben?“
    „Ja.“
    „Wir wohnten im Frieden und in Eintracht im Land Sindschar; aber wir wurden unterdrückt und vertrieben. Es war im Frühjahr; der Fluß war ausgetreten und die Brücke weggerissen. Da lagen unsere Greise, unsere Weiber und Kinder unten bei Mossul am Wasser. Sie wurden in die brausenden Fluten getrieben oder hingeschlachtet wie die wilden Tiere, und auf den Terrassen der Stadt stand das Volk von Mossul und jubelte über die Würgerei. Die Übriggebliebenen wußten nicht, wohin sie ihr Haupt legen sollten. Sie gingen in die Berge des Maklub, nach Bohtan, Scheikhan, Missuri, nach Syrien und sogar über die russische Grenze. Dort haben sie eine Heimat errungen, dort arbeiten sie, und wenn du ihre Wohnungen, ihre Kleider, ihre Gärten und Felder siehst, so freust du dich; denn da herrscht Fleiß, Ordnung und Sauberkeit, während du rundum nur Schmutz und Faulheit findest. Das aber lockt die andern, und wenn sie Geld und Leute brauchen, so fallen sie über uns her und morden uns und unser Glück. Wir feiern in drei Tagen das Fest unseres großen Heiligen. Wir haben es seit vielen Jahren nicht feiern können, weil die Pilger auf der Reise nach Scheik Adi das Leben

Weitere Kostenlose Bücher