12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem
mußte ziemlich weit gehen, um eine Stelle zu finden, an welcher ich mich unbeobachtet glaubte.
Hier badete ich und wechselte die Wäsche, eine Prozedur, welche man auf Reisen im Orient nicht gar zu häufig vornehmen kann. Daher fühlte ich mich wie neugeboren und wollte bereits den Ort verlassen, als ich eine leise Bewegung des Gebüsches bemerkte, welches sich an den Ufern des Baches hinzog. War es ein Tier oder ein Mensch? Wir standen auf dem Kriegsfuß, und so konnte es nichts schaden, wenn ich die Sache einmal näher untersuchte. Ich tat daher vollständig unbefangen, pflückte einige Blumen und näherte mich dabei scheinbar absichtslos dem Ort, an dem ich die erwähnte Bewegung bemerkt hatte. Dabei kehrte ich dem Busch den Rücken zu; plötzlich aber drehte ich mich um und stand mit einem schnellen Sprung mitten im dichten Zweigwerk. Vor mir kauerte ein Mann, er sah noch jung aus, hatte aber beinahe einen militärischen Anstrich, obgleich ich nur ein Messer als einzige Waffe bei ihm bemerkte. Eine breite Narbe zog sich über seine rechte Wange. Er erhob sich und wollte sich rasch zurückziehen, ich aber faßte seine Hand und hielt ihn fest.
„Was tust du hier?“ fragte ich.
„Nichts.“
„Wer bist du?“
„Ein – ein Dschesidi“, klang es zaghaft.
„Woher?“
„Ich heiße Lassa und bin ein Dassini.“
Ich hatte gehört, daß die Dassini eine der vornehmsten Familien der Dschesidi seien; er sah mir aber gar nicht aus wie ein Teufelsanbeter.
„Ich habe dich gefragt, was du hier tust?“
„Ich versteckte mich, weil ich dich nicht stören wollte.“
„Und was tatest du vorher hier?“
„Ich wollte baden.“
„Wo hast du die Wäsche?“
„Ich habe keine.“
„Du warst vor mir hier und hattest also das Recht, hier zu bleiben, statt dich zu verstecken. Wo hast du diese Nacht geschlafen?“
„Im Dorf.“
„Bei wem?“
„Bei – bei – bei – ich kenne seinen Namen nicht.“
„Ein Dassini kehrt bei keinem Mann ein, dessen Namen er nicht kennt. Komm mit mir und zeige mir deinen Wirt!“
„Ich muß vorher baden!“
„Das wirst du nachher tun. Vorwärts!“
Er versuchte, sich von meinem Griff zu befreien.
„Mit welchem Recht sprichst du in dieser Weise zu mir?“
„Mit dem Recht des Mißtrauens.“
„Ebenso könnte ich dir mißtrauen!“
„Natürlich! Ich bitte dich, es zu tun. Dann führst du mich in das Dorf, und es wird sich zeigen, wer ich bin.“
„Gehe, wohin es dir beliebt!“
„Das tue ich auch; aber du wirst mich begleiten.“
Sein Blick hing an meinem Gürtel; er bemerkte, daß ich keine Waffe bei mir trug, und ich sah es ihm an, daß er im Begriff stehe, nach seinem Messer zu greifen. Dies konnte mich aber nicht irre machen; darum hielt ich sein Handgelenk nur fester und gab ihm einen scharfen Ruck, der ihn zwang, aus dem Busch heraus in das Freie zu treten.
„Was wagst du?“ blitzte er mich an.
„Gar nichts. Du gehst mit mir; tschapuk – sofort!“
„Laß meine Hand los, sonst – – –!“
„Was sonst?“
„Brauche ich Gewalt!“
„Brauche sie!“
„Da – – –!“
Er zog das Messer und stieß nach mir; ich aber griff von unten herauf und faßte nun auch seine zweite Hand.
„Schade um dich; denn du scheinst kein Feigling zu sein!“
Ich drückte ihm die Hand, daß er das Messer fallen ließ, hob dasselbe schnell auf und faßte ihn bei der Jacke.
„Nun vorwärts, sonst –! Hier nimm meine Wäsche auf und trage sie!“
„Herr, tue es nicht!“
„Warum nicht?“
„Bist du ein Dschesidi?“
„Nein.“
„Warum willst du mich dann nach dem Dorf schaffen?“
„Das will ich dir sagen: du bist ein türkischer Soldat, ein Spion.“
Er erbleichte.
„Du irrst, Herr! Wenn du kein Dschesidi bist, so laß mich frei!“
„Dschesidi oder nicht; vorwärts!“
Er krümmte sich unter meinem Griff, aber er mußte mit. Ich zwang ihn sogar, meine Wäsche zu tragen. Wir erregten kein geringes Aufsehen, als wir das Dorf erreichten, und eine ziemliche Menschenmenge folgte uns nach der Wohnung des Beys. Er befand sich im Selamlük, wohin ich auch den Fremden schaffte. Unweit der Tür stand, ohne daß der Gefangene ihn bemerkte, mein Baschi-Bozuk, der eine sehr überraschte Miene machte, als wir an ihm vorübergingen. Er mußte ihn kennen.
„Wen bringst du mir da?“ fragte Ali Bey.
„Einen Fremden, den ich draußen am Bach fand. Er hatte sich versteckt, und zwar an einem Ort, von welchem aus er das ganze Dorf und auch
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