12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem
‚mahlun‘ (verflucht) in einer gewissen Nähe stehen. Sie sprechen vom Teufel nur in Umschreibung, und zwar mit Ehrfurcht. Sie nennen ihn Melek el Kuht, der mächtige König oder Melek Ta-us, König Pfauhahn.
„Ihr habt neben dem guten Gott auch noch ein anderes Wesen?“
„Neben? Nein. Das Wesen, welches du meinst, steht unter Gott. Dieser Kyral meleklerün war das oberste der himmlischen Wesen; aber Gott war sein Schöpfer und Herr.“
„Wo ist er jetzt?“
„Er empörte sich gegen Gott, und Gott verbannte ihn.“
„Wohin?“
„Auf die Erde und auf alle Sterne.“
„Nun ist der Herr derjenige, die in der Dschehennah wohnen?“
„Nein. Ihr glaubt wohl, daß er ewig unglücklich ist?“
„Ja.“
„Glaubt ihr auch, daß Gott allgütig, gnädig und barmherzig ist?“
„Ja.“
„Dann wird er auch verzeihen – den Menschen und den Engeln, welche gegen ihn sündigen. Das glauben wir, und darum bedauern wir jenen, welchen du meinst. Jetzt kann er uns schaden, und darum nennen wir seinen Namen nicht. Später, wenn er seine Macht zurückerhält, kann er die Menschen belohnen, und darum reden wir nichts böses von ihm.“
„Ihr verehrt ihn? Ihr betet ihn an?“
„Nein, denn er ist Gottes Geschöpf wie wir; aber wir hüten uns, ihn zu beleidigen.“
„Was bedeutet der Hahn, welcher bei euren Gottesdiensten zugegen ist?“
„Der bedeutet jenen nicht, welchen du meinst. Er ist ein Bild der Wachsamkeit. Hat euch Azerat Esau, der Sohn Gottes, nicht erzählt, von den Jungfrauen, welche den Bräutigam erwarteten?“
„Ja.“
„Fünf von ihnen schliefen ein und dürfen nun nicht in den Himmel. Kennst du die Erzählung von dem Jünger, welcher seinen Meister verleugnete?“
„Ja.“
„Auch da krähte der Hahn. Darum ist er bei uns das Zeichen, daß wir wachen, daß wir den großen Bräutigam erwarten.“
„Glaubt ihr das, was die Bibel erzählt?“
„Wir glauben es, obgleich ich nicht alles weiß, was sie erzählt.“
„Habt ihr nicht auch ein heiliges Buch, in welchem eure Lehren verzeichnet sind?“
„Wir hatten ein solches. Es wurde in Baascheikha aufbewahrt, aber ich habe gehört, daß es verloren gegangen ist.“
„Welches sind eure heiligen Handlungen?“
„Du wirst sie alle in Scheik Adi kennenlernen.“
„Kannst du mir sagen, wer Scheik Adi war?“
„Das weiß ich nicht genau.“
„Betet ihr zu ihm?“
„Nein. Wir verehren ihn nur dadurch, daß wir an seinem Grab zu Gott beten. Er war ein Heiliger und wohnt bei Gott.“
„Welche Arten von Priestern gibt es bei euch?“
„Zunächst kommen die Pirs. Dieses Wort heißt eigentlich ein alter oder ein weiser Mann; hier aber bedeutet es ein heiliger Mann.“
„Wie kleiden sie sich?“
„Sie können sich kleiden, wie es ihnen gefällt; aber sie führen ein sehr frommes Leben und Gott gibt ihnen die Macht, durch ihre Fürbitte alle Krankheiten des Leibes und der Seele zu heilen.“
„Gibt es viele Pirs?“
„Ich kenne jetzt nur drei. Pir Kamek ist der größte von ihnen.“
„Weiter!“
„Nach ihnen kommen die Scheiks. Sie müssen so viel Arabisch lernen, um unsere heiligen Lieder zu verstehen.“
„Werden diese in arabischer Sprache gesungen?“
„Ja.“
„Warum nicht in kurdischer?“
„Ich weiß es nicht. Aus den Scheiks werden die Wächter des heiligen Grabes gewählt, wo sie das Feuer unterhalten und die Pilger bewirten müssen.“
„Haben sie eine besondere Kleidung?“
„Sie gehen ganz weiß gekleidet und tragen als Zeichen ihres Amtes einen Gürtel, welcher rot und gelb ist. Nach diesen Scheiks kommen die Prediger, welche wir Kawals nennen. Sie können die heiligen Instrumente spielen und gehen von Ort zu Ort, um die Gläubigen zu belehren.“
„Welches sind die heiligen Instrumente?“
„Das Tamburin und die Flöte. Auch verstehen die Kawals bei den hohen Festen zu singen.“
„Wie kleiden sie sich?“
„Sie können alle Farben tragen, doch kleiden sie sich gewöhnlich weiß. Dann aber muß ihr Turban schwarz sein, zur Unterscheidung von den Scheiks. Nach ihnen kommen die Fakirs, welche die niederen Dienste am Grab und auch anderswo verrichten. Sie haben meist dunkle Gewänder und tragen ein rotes Tuch quer über dem Turban.“
„Wer ernennt eure Priester?“
„Sie werden nicht ernannt, denn diese Würde ist erblich. Wenn ein Priester stirbt und keinen Sohn hinterläßt, so geht sein Amt auf seine älteste Tochter über.“
Das war allerdings höchst merkwürdig, besonders
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