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12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

Titel: 12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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welche mit dem Schatten der Dämmerung gespielt hatten, waren zur Ruhe gegangen; die Sterne des Südens lächelten freundlich aus dem tiefblauen Dunkel des Himmels herab, und die Wasser des ehrwürdigen Stromes fluteten ruhig und lautlos dahin in ihrer breiten Bahn. Diese Ruhe herrschte auch in meinem Innern, obgleich es schwer scheint, dies zu glauben.
    Es war nichts Leichtes, was wir zu vollbringen gedachten, aber man bebt ja vor einem Ereignis; ist dasselbe jedoch einmal angebahnt oder gar bereits eingetreten, so hat man mit den Chancen abgeschlossen und kann ohne innere Kämpfe handeln. Eine nächtliche Entführung wäre vielleicht gar nicht notwendig gewesen; wir hätten vielmehr Abrahim-Mamur vor Gericht angreifen können. Aber wir wußten ja nicht, wie die Verhältnisse lagen und welche rechtlichen oder unrechtlichen Mittel ihm zu Gebote standen, sein Anrecht auf Senitza geltend zu machen. Nur von ihr erst konnten wir erfahren, was wir wissen mußten, um gegen ihn aufzutreten, und das konnten wir nur dann erfahren, wenn es uns gelang, sie hinter seinem Rücken in unsere Hände zu bekommen.
    Nach einer kleinen Stunde hoben sich die dunklen Umrisse des Gebäudes aus ihrer grauen, steinigen Umgebung hervor. Wir legten eine kurze Strecke unterhalb der Mauer an, und ich stieg zunächst ganz allein aus, um zu rekognoszieren. Ich fand in der ganzen Umgebung des Hauses nicht die geringste Spur von Leben, und auch innerhalb der Mauern schien alles in tiefster Ruhe zu liegen. Am Kanal lag das Boot Abrahims mit den Rudern. Ich stieg ein und brachte es neben unsern Kahn.
    „Hier ist das Boot“, sagte ich zu den beiden Dienern. „Fahrt es ein wenig abwärts, füllt es mit Steinen und laßt es sinken. Die Ruder aber können wir gebrauchen. Wir nehmen sie in unser Boot herein, welches ihr nachher nicht anhängen laßt, sondern so bereit haltet, daß wir abstoßen können, sobald wir einsteigen. Isla Ben Maflei, folge mir!“
    Ich verließ das Boot, und wir schlichen zum Kanal. Dessen Wasser blickten uns nicht sehr einladend entgegen. Ich warf einen Stein hinein und erkannte dadurch, daß der Kanal nicht tief sei. Isla zog seine Kleider aus und stieg hinein. Das Wasser reichte ihm bis an das Kinn.
    „Wird es gehen?“ fragte ich ihn.
    „Mit dem Schwimmen besser als mit dem Gehen. Der Kanal hat so viel Schlamm, daß er mir fast bis an die Knie reicht.“
    „Bist du noch entschlossen?“
    „Ja. Bringe meine Kleider mit zum Tor. Haidi, wohlan!“
    Er hob die Beine empor, stieß die Arme aus und verschwand unter der Maueröffnung, durch welche das Wasser führte.
    Ich verließ die Stelle nicht sofort, sondern ich wartete noch eine Weile, da es ja sehr leicht möglich war, daß etwas Unvorhergesehenes geschehen konnte, was meine Gegenwart wünschenswert erscheinen ließ. Ich hatte das Richtige getroffen, denn eben wollte ich mich wenden, als der Kopf des Schwimmers in der Öffnung wieder erschien.
    „Du kehrst zurück?“
    „Ja, ich konnte nicht weiter.“
    „Warum?“
    „Effendi, wir können Senitza nicht befreien!“
    „Weshalb nicht?“
    „Die Mauer ist zu hoch – – –“
    „Es würde auch nichts helfen, wenn sie niedriger wäre, denn das Haus ist fest verschlossen.“
    „Und der Kanal auch.“
    „Verschlossen?“
    „Ja.“
    „Womit?“
    „Mit einem starken Holzgitter.“
    „Konntest du es nicht entfernen?“
    „Es widersteht aller meiner Kraft.“
    „Wie weit ist der Ort von hier?“
    „Das Gitter muß sich grad bei der Grundmauer des Hauses befinden.“
    „Ich werde einmal nachsehen. Ziehe dich an; halte meine Kleider und erwarte mich hier.“
    Ich warf nur das Obergewand ab und stieg in das Wasser. Mich auf den Rücken legend, schwamm ich vorwärts. Der Kanal war auch im Garten nicht offen, sondern mit steinernen Platten bedeckt. Als ich nach meiner Berechnung das Haus erreicht haben mußte, stieß ich an das Gitter. Es war so breit und hoch wie der Kanal selbst, bestand aus starken, gut eingefügten Holzstangen und war mit eisernen Klammern an die Mauer befestigt. Die Vorrichtung hatte jedenfalls den Zweck, Tiere wie etwa Ratten, Wassermäuse usw. vom Bassin fernzuhalten. Ich rüttelte daran; es gab nicht nach, und ich mußte einsehen, daß es im ganzen nicht zu entfernen sei. Ich faßte einen einzelnen Stab mit beiden Händen, stemmte die hoch emporgezogenen Knie hüben und drüben gegen die Mauer – ein Ruck aus allen Kräften, und die Stange zerbrach. Jetzt war eine Bresche da, und in

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