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12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

Titel: 12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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in das Zimmer, in welchem ich gestern warten mußte und in welchem ich auch heute zurückblieb. Ich sah mich genauer um. Fenster gab es nicht; die Lichtöffnungen waren vergittert. Das hölzerne Gitterwerk war so angebracht worden, daß man es öffnen konnte, indem man ein langes, dünnes Riegelstäbchen herauszog. Schnell entschlossen zog ich es heraus und steckte es so hinter das Gitter, daß es nicht bemerkt werden konnte. Kaum war ich damit fertig, so erschien Abrahim wieder. Hinter ihm trat Senitza ein.
    Ich ging auf sie zu und legte ihr meine Fragen vor. Unterdessen spielte ich wie im Eifer für die Sache mit dem Ring, den mir Isla mitgegeben hatte, und ließ ihn dabei aus den Fingern gleiten. Er rollte hin bis an ihre Füße; sie bückte sich schnell und hob ihn auf. Sofort aber trat Abrahim auf sie zu und nahm ihr ihn aus der Hand. So schnell das ging, sie hatte doch Zeit gehabt, einen Blick auf den Ring zu werfen – sie hatte ihn erkannt, das sah ich an ihrem Zusammenzucken und an der unwillkürlichen Bewegung ihrer Hand nach ihrem Herzen. Nun hatte ich für jetzt weiter nichts mehr hier zu tun.
    Abrahim fragte, wie ich sie gefunden habe.
    „Gott ist gut und allmächtig“, antwortete ich; „er sendet den Seinen Hilfe, oft ehe sie es denken. Wenn er es will, so ist sie morgen bereits gesund. Sie mag die Medizin nehmen, die ich ihr senden werde, und mit Vertrauen warten, bis ich wiederkomme.“
    Heute entließ sie mich, ohne ein Wort zu wagen. Im Selamlük harrte Halef bereits mit der Apotheke. Ich gab nichts als ein Zuckerpulver, wofür der kleine Agha ein noch größeres Bakschisch als gestern erhielt. Dann ging es wieder stromabwärts zurück.
    Der Kapitän erwartete mich bereits bei dem Kaufherrn.
    „Hast du sie gesehen?“ rief mir dieser entgegen.
    „Ja.“
    „Erkannte sie den Ring?“
    „Sie erkannte ihn.“
    „So weiß sie, daß ich in der Nähe bin!“
    „Sie ahnt es. Und wenn sie meine Worte richtig deutet, so weiß sie, daß sie heute nacht errettet wird.“
    „Aber wie?“
    „Hassan el Reïsahn, bist du mit deinem Leck fertig?“
    „Ich werde fertig bis zum Abend.“
    „Bist du bereit, uns aufzunehmen und nach Kairo zu bringen?“
    „Ja.“
    „So hört mich! In das Haus führen zwei Türen, welche aber von innen verriegelt sind; durch sie können wir nicht eindringen. Aber es gibt noch einen zweiten Weg, wenn er auch schwierig ist. Isla Ben Maflei, kannst du schwimmen?“
    „Ja.“
    „Gut. Es führt ein Kanal aus dem Nil unter den Mauern hinweg nach einem Bassin, welches in der Mitte des Hofes sich befindet. Kurz nach Mitternacht, wenn alles schläft, treffen wir dort ein, und du dringst durch den Kanal und das Bassin in den Hof. Die Tür, welche du sofort finden wirst, ist durch einen Riegel verschlossen, der sehr leicht zurückzuschieben ist. Indem du öffnest, kommst du in den Garten, dessen Tür auf gleiche Weise sich öffnen läßt. Sobald die Türen offen sind, trete ich ein. Wir holen eine Stange aus dem Garten und lehnen sie an die Mauer, um zu dem Gitter emporzusteigen, hinter welchem die Frauengemächer liegen. Ich habe es bereits von innen geöffnet.“
    „Und dann?“
    „Was dann geschehen soll, muß sich nach den Umständen richten. Wir fahren mit einem Boot bis an Ort und Stelle, wo unsere erste Arbeit sein muß, das Boot Abrahim-Mamurs zu versenken, so daß er uns nicht verfolgen kann. Unterdessen macht der Reïs seine Dahabïe segelfertig.“
    Ich nahm einen Stift zur Hand und zeichnete den Riß des Hauses auf ein Blatt Papier, so daß Isla Ben Maflei vollständig orientiert war, wenn er heute abend aus dem Bassin stieg. Der Tag verging vollends unter den notwendigen Vorbereitungen; der Abend kam, und als es Zeit wurde, rief ich Halef herein und gab ihm die nötigen Weisungen für das bevorstehende Abenteuer.
    Halef packte rasch unsere Habseligkeiten zusammen. Die Wohnungsmiete war schon voraus bezahlt.
    Ich begab mich zu Hassan, und Halef kam sehr bald mit den Sachen nach. Das Schiff war bereit zur Fahrt und brauchte nur vom Ufer gelöst zu werden. Nach einiger Zeit stellte sich auch Isla mit seinem Diener ein, der von ihm unterrichtet worden war, und nun stiegen wir in das lange, schmale Boot, welches zur Dahabïe gehörte. Die beiden Diener mußten rudern, und ich lenkte das Steuer.
    Es war eine jener Nächte, in denen die Natur in so tiefem Vertrauen ruht, als gebe es auf dem ganzen weiten Erdenrunde kein einziges drohendes Element.
    Die leisen Lüfte,

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