12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem
Ort und Stelle, griff in das Steuer und lenkte dem Ufer zu.
Ich war ihm entgegengegangen. Er sprang ans Land, blieb aber doch ein wenig verblüfft stehen, als er mich näher betrachtete.
„Ein Türke, der deutsch reden kann?“ fragte er zweifelhaft.
„Nein, sondern ein Deutscher, der ein bißchen Türkisch probiert.“
„Also wirklich! Ich wollte meinen Ohren nicht trauen. Aber Sie sehen wahrhaftig wie ein Araber aus. Darf ich fragen, was Sie sind?“
„Ein Schriftsteller. Und Sie?“
„Ein – ein – – – ein – hm, Violinist, Komiker, Schiffskoch, Privatsekretär, bookkeeper (Buchhalter), Ehemann, merchant (Kaufmann), Witwer, Rentier und jetzt Tourist nach Hause zu.“
Er brachte das mit einer so überwältigenden Grandezza vor, daß ich lachen mußte.
„Da haben Sie allerdings viel erfahren! Also nach Hause wollen Sie?“
„Ja, nämlich nach Triest, wenn ich nicht etwa unterwegs mich anders besinne. Und Sie?“
„Ich sehe die Heimat wohl erst nach einigen Monaten wieder. Was tun Sie hier in Dschidda?“
„Nichts. Und Sie?“
„Nichts. Wollen wir einander helfen?“
„Natürlich, wenn es Ihnen nämlich recht ist!“
„Das versteht sich! Haben Sie eine Wohnung?“
„Ja, schon seit vier Tagen.“
„Und ich seit ungefähr so vielen Stunden.“
„So sind Sie noch nicht eingerichtet. Darf ich Sie zu mir einladen?“
„Freilich! Für wann?“
„Für jetzt gleich. Kommen Sie! Es ist gar nicht weit.“
Er griff in die Tasche und lohnte seinen Bootsmann ab, dann schritten wir nach dem Hafen zurück. Unterwegs wurden nur allgemeine Bemerkungen ausgetauscht, bis wir an ein einstöckiges Häuschen kamen, in welches er trat. Es wurde durch den Eingang in zwei Hälften geteilt. Er öffnete die Tür zur rechten Seite, und wir traten in ein kleines Gemach, dessen einziges Möbel aus einem niederen, hölzernen Gerüste bestand, über welches eine lange Matte ausgebreitet war.
„Das ist meine Wohnung. Willkommen! Nehmen Sie Platz!“
Wir schüttelten einander nochmals die Hände, und ich setzte mich auf das Serir, während er in einen nebenan liegenden Raum trat und einen großen Koffer öffnete, der in demselben stand.
„Bei einem solchen Gaste darf ich meine Herrlichkeiten doch nicht schonen“, rief er mir zu. „Passen Sie auf, was ich Ihnen bringe!“
Es waren allerdings lauter Herrlichkeiten, die er mir vorsetzte:
„Hier ein Topf mit Apfelschnitten, gestern abend in der Kaffeemaschine gekocht; es ist das beste, was man in dieser Hitze genießen kann. Hier zwei Pfannkuchen, dort in der Tabaksbüchse gebacken – jeder einen. Da noch ein Rest englisches Weizenbrot – ein bißchen altbacken, geht aber noch. Sie haben gute Zähne, wie ich sehe. Dazu diese halbe Bombaywurst – riecht vielleicht ein wenig, tut aber nichts. In dieser Flasche ist echter, alter Cognac; wenn auch kein Wein, aber immer besser als Wasser; ein Glas habe ich nicht mehr, ist aber auch nicht notwendig. Nachher in dieser Büchse – schnupfen Sie?“
„Leider nein.“
„Schade! Es ist ausgezeichnet. Aber Sie rauchen?“
„Gern.“
„Hier! Es sind nur noch elf Stück; die teilen wir – Sie zehne und ich eine.“
„Oder umgekehrt!“
„Geht nicht.“
„Wollen es abwarten. Und dort in dieser Blechkapsel, was haben Sie da?“
„Raten Sie!“
„Zeigen Sie einmal her!“
Er gab mir die Kapsel und ich roch daran.
„Käse!“
„Erraten! Leider fehlt die Butter. Nun langen Sie zu! Ein Messer haben Sie jedenfalls; hier ist auch eine Gabel.“
Wir aßen mit Lust.
„Ich bin ein Sachse“, sagte ich und nannte ihm meinen Namen. „Sie sind in Triest geboren?“
„Ja. Ich heiße Martin Albani. Mein Vater war seines Zeichens ein Schuster. Ich sollte etwas besseres werden, nämlich ein Kaufmann, hielt es aber lieber mit meiner Geige als mit den Ziffern und so weiter. Ich bekam eine Stiefmutter; na – Sie wissen, wie es dann herzugehen pflegt. Ich hatte den Vater sehr lieb, wurde aber mit einer Preßnitzer Harfenistengesellschaft bekannt und schloß mich ihr an. Wir gingen nach Venedig, Mailand und tiefer ins Italien hinunter, endlich gar nach Konstantinopel. Kennen Sie diese Art Leute?“
„Gewiß. Sie gehen oft weit über See.“
„Erst spielte ich Violine, dann avancierte ich zum Komiker; leider aber hatten wir Unglück, und ich war froh, daß ich auf einem Bremer Kauffahrer eine Stelle fand. Mit diesem kam ich später nach London, von wo aus ich mit einem Engländer nach
Weitere Kostenlose Bücher