12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem
Wohnung, schlief mit demselben ein und erwachte auch mit ihm. Halef brachte mir den Kaffee. Ich hatte Wort gehalten und ihm sein Geld bereits gestern gegeben.
„Sihdi, wann erlaubst du mir, nach Mekka zu gehen?“ fragte er mich.
„Hast du Dschidda bereits ganz gesehen?“
„Noch nicht; aber ich werde bald fertig sein.“
„Wie wirst du reisen? Mit einem Delyl?“
„Nein, denn der kostet zu viel. Ich werde warten, bis mehrere Pilger beisammen sind und dann auf einem Mietkamele reiten.“
„Du kannst abreisen, sobald du willst.“
Delyls sind nämlich diejenigen Beamten, welche die fremden Pilger zu führen und darauf zu sehen haben, daß diese keine Vorschrift versäumen. Unter den Pilgern befinden sich sehr viele Frauen und Mädchen. Da aber den unverheirateten Frauenzimmern das Betreten der Heiligtümer verboten ist, so machen die Delyls ein Geschäft daraus, sich gegen Bezahlung mit ledigen Pilgerinnen, die sie von Dschidda abholen, zu verheiraten, sie in Mekka zu begleiten und ihnen dann nach vollbrachter Wallfahrt den Scheidebrief zu geben.
Halef hatte kaum meinen Raum verlassen, so hörte ich draußen eine Stimme sagen:
„Ist dein Herr zu Hause?“
„Dehm arably – sprich arabisch!“ antwortete Halef auf die deutsch gesprochene Frage.
„Arably? Das kann ich nicht, mein Junge; höchstens könnte ich dich mit einem bißchen Türkisch traktieren. Aber warte, ich werde mich gleich selbst anmelden; denn jedenfalls steckt er da hinter der Tür.“
Es war Albani, dessen Stimme jetzt erklang:
„Juchheirassasa!
Und wenn d'willst, will i a,
Und wenn d'willst, so mach auf,
Denn desweg'n bin i da!“
Er schien den Text seiner Schnadahüpfeln den Verhältnissen anzupassen. Gewiß stand Halef vor Erstaunen ganz starr da draußen, und wenn ich nicht antwortete, so geschah es seinetwegen; er sollte noch etwas hören. Es dauerte auch gar nicht lange, so fuhr der Triester fort:
„Soldat bin i gern
Und da kenn' i mi aus,
Doch steh i nit gern Schildwach
In fremder Leut Haus.“
Und als auch diese zarte Erinnerung keine Folge hatte, drohte er:
„Und a frischa Bua bin i,
D'rum laß dir 'mal sag'n:
Wenn d'nit glei itzt aufmachst,
Tua i's Türerl zerschlag'n!“
Soweit durfte ich es denn doch nicht kommen lassen; ich erhob mich also und öffnete ihm die Tür.
„Aha“, lachte er, „es hat also geholfen! Ich dachte beinahe, Sie wären schon nach Mekka abgegangen.“
„Pst! Mein Diener darf nichts davon wissen.“
„Entschuldigung! Raten Sie einmal, mit welcher Bitte ich komme!“
„Mit dem Verlangen nach Revanche für Ihre gestrige Gastfreundschaft? Tut mir leid! Ich kann nötigenfalls mit etwas Munition, aber nicht mit Proviant dienen, wenigstens nicht mit einem so seltenen, wie Ihre Speisenkarte zeigte.“
„Pah! Aber ich habe wirklich eine Bitte oder vielmehr eine Frage.“
„Sprechen Sie!“
„Wir sprachen gestern wenig über Ihre Erlebnisse; aber ich vermute, daß Sie Reiter sind.“
„Ich reite allerdings ein wenig.“
„Nur Pferd oder auch Kamel?“
„Beides; sogar auch Esel, wozu ich erst gestern gezwungen war.“
„Ich habe noch nie auf dem Rücken eines Kameles gesessen. Nun hörte ich heute früh, daß es ganz in der Nähe einen Dewedschi (Kamelverleiher nach Art unserer Pferdeverleiher) gibt, bei dem man für ein Billiges die Möglichkeit erhält, einmal den Beduinen spielen zu können – – –“
„Ah, Sie wollen einen Spazierritt riskieren?“
„Das ist es!“
„Sie werden aber eine Art von Seekrankheit bekommen –“
„Tut nichts.“
„Gegen welche nicht einmal eine Dosis Kreosot Hilfe leistet.“
„Ich bin darauf gefaßt. Die Küste des Roten Meeres bereist und nicht auf einem Kamele gesessen zu haben! Darf ich Sie einladen, mich zu begleiten?“
„Ich habe Zeit, wo wollen Sie hin?“
„Mir gleich. Vielleicht eine Streiferei um Dschidda herum?“
„Ich bin dabei. Wer besorgt die Kamele? Sie oder ich?“
„Natürlich ich. Wollen Sie Ihren Diener auch mitnehmen?“
„Wie Sie es bestimmen. Man weiß hierzulande niemals, was einem begegnen kann, und ein Diener ist hier im Orient eigentlich niemals überflüssig.“
„So geht er mit.“
„Wann soll ich kommen?“
„In einer Stunde.“
„Gut. Aber erlauben Sie mir eine Bemerkung. Untersuchen Sie, ehe Sie das Kamel besteigen, den Sattel und die Decke genau; eine solche Vorsicht ist stets am Platze, da man sonst sehr leicht Bekanntschaft mit jenen sechsfüßigen Baschi-Bozuks macht,
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