12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem
die der Orientale mit dem lieblich klingenden Namen ‚Bit‘ bezeichnet.“
„Bit? Ich bin kein Licht in den orientalischen Sprachen.“
„Aber ein wenig Latein haben Sie getrieben?“
„Allerdings.“
„So meine ich das Tierchen, dessen Name so lautet, wie auf lateinisch das deutsche Wort ‚Lob‘.“
„Ah! Ist es gar so arg?“
„Zuweilen sehr. Ich habe in Ungarn gehört, daß man diese Schmarotzer mit dem Wort ‚Bergleute‘ bezeichnet, jedenfalls, weil sie von oben nach unten arbeiten. Bei einem Kamelritt nun haben Sie es mit den Bergleuten der Araber und mit den Bergleuten der Kamele zu tun. Ein Glück ist es nur, daß die ersteren eine so rührende Treue für ihre Herren und Meister besitzen und folglich es verschmähen, einen Giaur wenigstens förmlich zu überfluten. Also legen Sie noch eine eigene Decke unter, welche Sie nach dem Ritt dem nächsten Pastetenbäcker geben, der sie für wenige Borbi (Ein Para hat acht Borbi) in seinem Ofen ausbrennen wird.“
„Nicht übel! Nehmen wir Waffen mit?“
„Das versteht sich! Ich zum Beispiel bin zu dieser Vorsicht gezwungen, da ich jeden Augenblick hier oder in der Umgebung Feinde treffen kann.“
„Sie?“
„Ja, ich! Ich befand mich in der Gefangenschaft eines Seeräubers, dem ich erst gestern früh entflohen bin. Er ist auf dem Wege nach Mekka und kann sich sehr leicht noch hier in Dschidda befinden.“
„Das ist ja ganz erstaunlich! Er war ein Araber?“
„Ja. Ich kann ihm nicht einmal mit einer Anzeige beikommen, obgleich mein Leben keinen Pfennig wert ist, sobald wir uns begegnen sollten.“
„Und davon haben Sie mir gestern nichts gesagt!“
„Warum sollte ich davon sprechen? Man hört und liest jetzt sehr oft, daß das Leben immer nüchterner werde und es gar keine Abenteuer mehr gebe. Vor nun wenigen Wochen sprach ich mit einem viel gereisten Gelehrten, welcher geradezu die Behauptung aufstellte, man könne die alte Welt von Hammerfest bis zur Capstadt und von England bis nach Japan durchreisen, ohne nur eine Spur von dem zu erleben, was man Abenteuer nennt. Ich widersprach ihm nicht, aber ich bin überzeugt, daß es nur auf die Persönlichkeit des Reisenden und auf die Art und Weise der Reise ankommt. Eine Reise per Entreprise oder mit Rundreisebillet wird sehr zahm sein, selbst wenn sie nach Celebes oder zu den Feuerländern gehen sollte. Ich ziehe das Pferd und das Kamel den Posten und Bahnen, das Kanoe dem Steamer und die Büchse dem wohl visierten Passe vor; auch reise ich lieber nach Timbuktu oder Tobolsk als nach Nizza oder Helgoland; ich verlasse mich auf keinen Dolmetscher und auf keinen Bädeker; zu einer Reise nach Murzuk steht mir weniger Geld zur Verfügung, als mancher braucht, um von Prag aus die Kaiserstadt Wien eine Woche lang zu besuchen, und – ich habe mich über den Mangel an Abenteuern niemals zu beklagen gehabt. Wer mit großen Mitteln die Atlasländer oder die Weststaaten Nordamerikas besucht, dem stehen eben diese Mittel im Wege; wer aber mit leichter Tasche kommt, der wird bei den Beduinen Gastfreundschaft suchen und sich nützlich machen, drüben im Wilden Westen aber sich sein Brot schießen und mit hundert Gefahren kämpfen müssen; ihm wird es nie an Abenteuern fehlen. Wollen wir wetten, daß uns nachher bei unserem Ritt ein Abenteuer passieren wird, mag es auch ein nur kleines sein? Die Recken früherer Zeiten zogen aus, um Abenteuer zu suchen; die jetzigen Helden reisen als Commis-voyageurs, Touristen, Sommerfrischler, Bäderbummler oder Kirmesgäste; sie erleben ihre Abenteuer unter dem Regenschirm, an der Table d'hôte, bei einer imitierten Sennerin, am Spieltisch und auf dem Scating-Ring. Wollen wir wetten?“
„Sie machen mich wirklich neugierig!“
„Ja, verstehen Sie mich wohl! Sie nennen es vielleicht ein Abenteuer, wenn Sie im Dschungel zwei Tigern begegnen, welche sich auf Leben und Tod bekämpfen; ich nenne es ein ebenso großes Abenteuer, wenn ich am Waldesrand auf zwei Ameisenvölker stoße, deren Kampf nicht bloß in Beziehung auf Mut und Körperanstregung uns auf solche Beispiele von Aufopferung, Gehorsam und strategischer oder taktischer Berechnung und List zeigt, daß wir darüber bloß erstaunen müssen. Gottes Allmacht zeigt sich herrlicher in diesen winzigen Tieren als in jenen beiden Tigern, die Ihnen bloß deshalb größer erscheinen, weil Sie sich vor ihnen fürchten. Doch gehen Sie jetzt und bestellen Sie die Kamele, damit wir zur Zeit der größten Hitze eine Quelle
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