12 Stephanie Plum: Kalt erwischt (Twelve Sharp)
Corona hinter die Binde und hielt mich dicht an Morelli. Die Lichter flackerten, und The What betraten die Bühne. Ein Schlagzeuger, ein Keyboarder und ein Bassist. Die Männer nahmen die Instrumente und hauten einen Tusch heraus. Keiner unten im Publikum schenkte dem auch nur die geringste Beachtung. Dann erschienen Lula und Sally, und alle drehten sich zu ihnen um und gafften sie an, als wären sie vom Himmel gefallen.
Lula trug ihren goldenen Dress und die Stöckelschuhe mit Pfennigabsätzen, Sally nur die Gitarre, rote, funkelnde Ohrhänger, zehn Zentimeter hohe, ziermünzenbesetzte Stöckelschuhe und einen roten, ebenfalls ziermünzenbesetzten Tanga. Auf seine übliche platinblonde Marilyn-Monroe-Perücke hatte er verzichtet; er ließ die schulterlangen, krauslockigen schwarzen Haare so, wie sie waren. Sein großer, behaarter schlaksiger Körper schleppte sich ans Mikrofon, Sally griff einmal in die Saiten, dass es krachte, und die Meute unten verstummte.
»Normalerweise trage ich ein Kleid«, sagt Sally. »Aber hier soll das nicht so gut ankommen, hat man mir gesagt. Deswegen heute nur dieser Tanga. Wie findet ihr mein Outfit?«
Ein Pfeifkonzert und Gejohle. Morelli hatte einen Arm um mich gelegt und grinste. Ich musste auch lachen, aber ich hatte die Befürchtung, dass die gute Laune des Publikums nicht lange vorhielt. Auf mich wirkten die Leute eher so, als dürfte man ihnen nicht zu viel zumuten.
Sally Sweet hatte schon viel hinter sich, Punk, Funk, Rock, Country und Western und alle Mischformen. Diese Band sah aus wie eine Coverband für Siebziger-Jahre-Songs, und das erste Stück war auch gleich »Love Machine«.
Lula hatte ein Handmikro und legte eine Nummer hin, die irgendwo zwischen Tina Turner und baptistischem Erweckungsgottesdienst angesiedelt war. Gar nicht mal schlecht, aber immer wenn sie die Arme in die Luft warf, rutschte der knappe goldene Dress hoch, und sie musste ihn wieder über ihre Pobacken ziehen. Auf halber Strecke verlor sie die Orientierung, hielt sich nicht mehr an den Text und sang nur noch: »Love machine, la la la la love machine.« Eigentlich war es egal, denn das Publikum war wie hypnotisiert von den flüchtigen Ausblicken auf Lulas Leopardentanga in XXXL-Größe.
Als der Song zu Ende war, schrie jemand, dass er gerne »Love Shack« hören wollte.
»Bloß nicht«, schrillte es von der anderen Seite des Raums. »Disco Inferno.«
»Disco Inferno ist schwul«, brüllte der erste Typ wieder. »Disco Inferno ist was für Weiber.«
»Ich gebe dir gleich weibisch«, sagte der Disco-Infernist und warf eine Bierflasche nach dem Love Shacker.
»Aufhören«, sagte Lula zu dem Discotypen. »Das ist ungehörig.«
Ein Zwiebelring kam aus dem Publikum angesegelt, traf Lula am Kopf und sank auf ihre Brust nieder.
»Jetzt werde ich aber echt sauer«, sagte Lula. »Wer war das? Guck dir den dicken Fettfleck auf meinem Kleid an! Ich schicke dir die Rechnung von der Reinigung.«
»He«, schrie jemand Richtung Lula, »Zeig doch mal, was du für Titten hast. Ich will deine Titten sehen.«
»Ich zeige dir auch gleich was - einen Fußtritt in deinen Saftarsch«, sagte Lula.
Ein »Titten zeigen« - Chor hob an, und einige Frauen blinkten mit kleinen Taschenlämpchen.
Ein betrunkener Mann neben mir griff sich mein Shirt und versuchte es mir über den Kopf zu ziehen. »Zeig uns lieber deine Titten!«, sagte er.
Mehr konnte er nicht mehr von sich geben, denn Morelli schob ihm eine Faust in die Fresse.
Danach sank das Niveau rapide. Bierflaschen flogen durch die Luft, und es ging zu wie bei einem Wrestlingturnier. Der aufgepeitschte Mob zertrümmerte Möbel, Männer und Frauen prügelten sich, kratzten ihre Gegner und stachen ihnen die Augen aus.
Sally trat mit Kriegsgeheul von der Bühne, watete durch die Menge, zog den Männern eins mit seiner Gitarre über den Kopf, und Lula kroch unter einen Tisch. Morelli schlang seine Arme um meine Taille, schlug sich durch bis zu dem Gang, der zu den Toiletten und dem Hinterausgang führte, und machte jeden zur Schnecke, der sich ihm in den Weg stellte. Erst schaffte er mich nach draußen, dann kehrte er um und holte Lula. Just in dem Moment, als er sie durch den Hinterausgang schob, fuhr auch schon die Polizei vor.
In dem Streifenwagen, der sich hinter Morellis SUV stellte, saß Eddie Gazarra. Er war ein guter Freund von uns, verheiratet mit meiner Cousine Shirley, der Heulsuse. Gazarra war mit drei Kollegen angerückt, und alle grinsten breit,
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