12 Stephanie Plum: Kalt erwischt (Twelve Sharp)
als sie Morelli, Lula und mich erkannten.
»Was geht denn hier ab?«, wollte Gazarra wissen und gab sich alle Mühe, nicht loszuprusten.
»Jemand hat einen Zwiebelring nach mir geworfen«, sagte Lula.
»Sonst noch was?«, fragte er Morelli.
»Nö. Das war eigentlich schon alles«, sagte Morelli, Hände locker in die Seiten gestemmt, Schrammen an den Fäusten, ein Veilchen am rechten Auge, Blut an der Wange. »Wäre nett, wenn ihr euer Auto mal zur Seite fahren würdet, damit wir rauskönnen. Und noch etwas: Wenn ihr reingeht, guckt nach einem Mann in einem roten Tanga! Der gehört zu uns.«
Morelli lümmelte auf dem Sofa, drückte einen Eisbeutel gegen seine Backe und verfolgte die letzten Minuten eines Footballspiels im Fernseher.
»Hätte schlimmer kommen können«, sagte ich.
»Schlimmstenfalls hätten wir uns noch mehr Songs anhören müssen.«
»Wenn du nicht Polizist wärst, säßen wir jetzt vielleicht sogar im Gefängnis.«
»Dass ich Polizist bin, hat nichts damit zu tun. Gazarra würde dich niemals verhaften.«
»Du redest in letzter Zeit gar nicht mehr über die Polizeiarbeit.«
Morelli warf den Eisbeutel zu Boden. »Ich arbeite im Morddezernat. Aber viel mehr will ich dazu gar nicht sagen. Ich habe alle Hände voll zu tun mit Bandenkriegen und ihren Toten. Das einzig Gute an der Sache ist, dass sie sich untereinander umbringen.« Er schaltete den Fernseher aus. »Langweiliges Spiel. Oben im Schlafzimmer gibt es bestimmt Interessanteres zu sehen.«
Als ich am nächsten Tag ins Büro kam, wartete schon der erste Bewerber. Er trug Motorradkluft, und hinten im Hosenbund klemmte eine abgesägte Schrotflinte.
»Eigentlich kleiden wir uns in diesem Büro nicht wie Kopfgeldjäger«, erklärte Connie ihm. »Wir finden das ein bisschen zu... auffällig.«
»Ja, und in diesen engen Lederhosen sieht der Hintern immer dick aus«, sagte Lula. »Wenn Sie in dem Outfit rumlaufen, kommt Sie die Fashion Police holen.«
»Ich laufe immer so rum«, sagte der Mann. »Ich fahre Motorrad.«
»Und die Schrotflinte?«, fragte Connie.
»Was soll mit der sein?«
Nach dem Kerl in dem Biker-Outfit kamen noch zwei weitere Bewerber und gingen wieder. Ungeduldig knetete ich meine Hände während der Bewerbungsgespräche, ich wollte nichts wie weg von hier. Für heute hatte ich mir drei NVGler vorgenommen, außerdem war Caroline Scarzolli noch immer auf freiem Fuß. Und Lonnie Johnson steckte auch noch irgendwo da draußen. Aber in Wahrheit wollte ich gar nicht diese Leute finden. Ich wollte endlich Ranger finden.
Als der letzte Bewerber aus der Tür war, zog Connie die unterste Schublade an ihrem Schreibtisch auf, holte eine Flasche Jack Daniels hervor und trank einen kräftigen Schluck.
»Ah«, sagte sie, »da geht es einem doch gleich besser.«
»Eigentlich mache ich diese Bewerbungsgespräche ganz gerne«, sagte Lula. »Es steigert mein Selbstwertgefühl. Im Vergleich zu diesen Nieten komme ich doch ganz gut weg.«
»Wo ist Pickle?«, fragte ich Connie.
»Er arbeitet von Montag bis Freitag. Und da wir samstags meistens sowieso nur halbtags arbeiten, habe ich ihm die Wochenenden freigegeben.«
Ich guckte aus dem Fenster zu dem schwarzen SUV auf der anderen Straßenseite. Langsam wurde es unheimlich. Nie bekam einer von uns Carmen zu Gesicht, man sah immer nur die getönten schwarzen Fensterscheiben.
»Der SUV steht ja immer noch da«, sagte ich. »Wann habt ihr den Wagen zuletzt wegfahren sehen?«
»Als ich heute Morgen ins Büro kam, stand er schon da«, sagte Connie. »Und ich glaube, gestern Abend, als ich ging, stand er auch da.«
Ich trank einen Schluck aus Connies Flasche. »Ich muss mir das mal aus der Nähe ansehen.«
Ich überquerte die Straße und klopfte an die Fensterscheibe der Fahrertür, aber nichts geschah. Ich guckte durch die Windschutzscheibe. Keiner da. Stattdessen überall Blut. Ich drehte mich um, lehnte mich gegen die Karosse und sank mit dem Rücken an ihr bis runter auf den Asphalt. Mit dem Kopf zwischen den Knien blieb ich auf dem Boden sitzen, bis das taube Gefühl verschwunden war und der Lärm in meinem Kopf nachließ. Ich kam auf die Knie, wartete noch, bis sich der Nebel lichtete, dann stand ich auf. Ich ging nach hinten zur Kofferraumklappe, wo der Leichengestank am stärksten war. Ich drückte mir die Nase an der Scheibe platt und versuchte, etwas zu erkennen. Über die Ladefläche war eine Ölplane gebreitet.
Ich nahm mein Handy und rief Morelli an. »Könnte nicht
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