12 Stephanie Plum: Kalt erwischt (Twelve Sharp)
warten. Erst wenn Sie sie wiedersehen.«
»Und wann wird das sein?«
»Ich weiß nicht. Ich muss mir überlegen, wie Sie unbemerkt hierherkommen können. Sie werden ja ununterbrochen überwacht. Das geht mir langsam auf die Nerven.«
»Ich glaube Ihnen nicht. Sie ist bestimmt gar nicht bei Ihnen.«
Seine schnarrende Stimme zog noch einmal an. »Natürlich ist sie hier. Was haben Sie denn gedacht? Wo soll sie sonst sein?«
»Ich weiß nicht. Ich dachte, dass sie vielleicht weggelaufen ist.«
»Also gut. Sie können mit ihr sprechen. Aber machen Sie es kurz.« Rumoren im Hintergrund, und man hörte, wie Scrog Julie zum Apparat stieß. »Rede!«, sagte er barsch.
»Hallo?«, sagte ich. »Julie? Bist du da?«
»Wer spricht da?«, fragte eine zaghafte Stimme.
»Ich bin es. Stephanie. Geht es dir gut?«
Sie brauchte einen Moment Zeit, und ich hielt den Atem an, wartete auf eine Antwort.
»Ja«, sagte sie. Ihre Kleinmädchenstimme schwankte. »Kennen Sie meinen Vater?«
»Ja«, sagte ich. »Wir sind Freunde. Ich arbeite mit deinem Vater zusammen.«
Sie schluckte kurz, dann sagte sie: »Hoffentlich kommt ihr bald. Bevor wir weiterziehen.«
Ein kurzes Aufjaulen, dann war die Leitung tot.
Ich sah zu Ranger. Sein Gesicht war ohne jeden Ausdruck, er atmete langsam und kontrolliert. Rangers Abschottungsmodus.
Ich hatte keinen solchen Abschottungsmodus. Tränen stiegen mir in die Augen, und im Hals spürte ich einen großen, undefinierbaren Kloß. Ich blinzelte die Tränen weg und ließ etwas Dampf ab. »Scheiße!«, sagte ich.
Ranger sah mich scheel an und gab mir einen Moment Zeit, mich zu sammeln. »Du hast ein Ziel«, sagte er schließlich ruhig. »Julie zu retten. Auf dieses Ziel musst du dich konzentrieren. Wenn du dich deinen Gefühlen überlässt, ist das unergiebig, du kannst dich nicht mehr auf das Ziel konzentrieren. Gehen wir es in Gedanken mal durch. Scrog wäre niemals das Risiko eingegangen, Julie im Auto mitzunehmen, als er dich verfolgte. Er hat dich also dabei beobachtet, wie du nach Hause gefahren bist, und sich danach wieder in sein Versteck zurückgezogen. Das heißt, er ist höchstens zwanzig Minuten von hier entfernt. Und Julie sagte, sie würden umherziehen. Es könnte sein, dass sie mit einem Wohnmobil unterwegs sind.«
»Kannst du die Dateien mit Diebesgut im Netz durchforsten?«, fragte ich Ranger.
»Ja, aber die Polizei hat schnelleren Zugriff.«
Ich rief Morelli an. »Könntest du mal die Dateien mit Diebesgut für mich überprüfen? Ich möchte wissen, ob in den letzten zwei Wochen irgendwelche Wohnmobile als gestohlen gemeldet wurden. In New Jersey und im östlichen Pennsylvania.«
Ich legte auf, aber das Telefon klingelte sofort wieder.
»Ich musste unterbrechen«, sagte Scrog. »Wenn man zu lange telefoniert, kann man das Gespräch zurückverfolgen.«
»Woher wissen Sie das alles?«, fragte ich ihn.
»Ich weiß alles. Ich bin der beste Kopfgeldjäger der Welt. Aber dass man Gespräche zurückverfolgen kann, weiß doch jedes Kind. Ich habe zurückgerufen, weil ich einen Plan habe.
Sie stehen unter Beobachtung der Polizei, deswegen müssen Sie sich ganz natürlich geben. Ich möchte, dass Sie sich wie ein richtiger Kopfgeldjäger anziehen, damit die Polizei jedes Mal denkt, Sie würden zur Arbeit gehen. Und dann zeige ich Ihnen, wie man sie abwimmelt. Fahren Sie heute um Mitternacht mit Ihrem Auto durch die Gegend! Ich rufe Sie über Handy an.«
»Können wir das nicht etwas früher machen? Ich bleibe nicht gerne so lange auf.«
»Um Mitternacht. Damit die Leute, die Sie überwachen, müde sind. Meine Güte, dann machen Sie eben mal einen Mittagsschlaf. Wie ist Ihre Handynummer?«
Ich nannte sie ihm, und er legte auf.
»Eine eigentümliche Welt, die er sich da zurechtgebastelt hat«, sagte ich zu Ranger.
»Wenn nicht so viel auf dem Spiel stehen würde, fände ich es einfach nur komisch.« Ranger wandte sich wieder dem Computer zu. »Du musst dir Kopfgeldjägerkleidung besorgen.«
»Ich weiß gar nicht, wo man solche Klamotten herbekommt.« Ich sah auf die Uhr. »Und viel Zeit habe ich auch nicht mehr. Um sechs soll ich bei meinen Eltern sein. Kann ich nicht deine Sachen anziehen?«
»Von mir aus kannst du meine Sachen Tag und Nacht tragen. Aber ich glaube, das wäre nicht im Sinne von Scrog. Ich schicke Ella los zum Klamottenkaufen. Sie kennt deine Größe.«
»Hast du was über Meri herausgefunden?«
»Bis jetzt noch nicht. Aber ihre Biografie wirkt irgendwie
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