12 Stephanie Plum: Kalt erwischt (Twelve Sharp)
Nachtisch vorbeikommen«, sagte meine Mutter. »Wer sind diese Leute?«
»Das ist meine Band!«, sagte meine Oma. »Nie hört mir jemand zu.«
»Natürlich hört dir nie einer zu, du alte Schnepfe«, sagte mein Vater. »Warum auch? Ich würde den Verstand verlieren, wenn ich dir zuhören müsste. Wie soll ich dabei fernsehen? Heute Abend ist ein Baseballspiel. Die Yankees spielen. Schafft mir diese Gestalten aus meinem Wohnzimmer. Kann mal jemand die Polizei rufen?«
Alle sahen Morelli an.
»Tun Sie doch etwas!«, sagte mein Vater zu ihm.
Morelli legte den Arm auf meine Stuhllehne und flüsterte mir ins Ohr: »Hilfe!«
»Moment mal!«, rief meine Oma. »Ich wohne schließlich auch hier. Und heute ist ein wichtiger Tag in meinem Leben. Ihr wisst, wie alt ich bin. Vielleicht sind mir nicht mehr viele Tage vergönnt.«
Für meinen Vater wäre das wie Weihnachten und Ostern zusammen.
»Wir müssen nach oben, uns umziehen«, sagte Lula zu Grandma. »Für Sie habe ich auch eine Perücke dabei.«
»Willst du nicht lieber in die Kneipe zu deinen Freunden?«, sagte ich zu meinem Vater. »Donnerstag ist doch Binokelabend.«
»In der Kneipe ist jeden Abend Binokelabend. Ich wollte mir aber das Spiel angucken.«
»Gibt es in der Kneipe nicht auch einen Fernseher?«
»Ja, am Tresen ist einer.« Er sah auf seinen Teller mit Keksen und seinen Kaffee. »Ich bin noch nicht fertig mit Essen.«
»Eine Tüte! Bitte!«, sagte ich zu meiner Mutter. »Tu seine Kekse in eine Tüte!«
»Ich muss mich auch umziehen«, sagte Sally und war schon auf der Treppe nach oben. »Ich brauche nur eine Minute.«
»Jetzt mach schon!«, flehte ich meine Mutter an. »Warum dauert das so lange mit der Tüte?«
Der Bassspieler stimmte sein Instrument und regelte die Lautstärke am Verstärker. Ein riesenhaftes Wummm! war das erste Geräusch.
»Du liebe Scheiße!«, sagte mein Vater. »Was war das denn?«
»Der Bass«, sagte Morelli und schielte auf den Teller meines Vaters.
»Ich habe genau gesehen, dass sie scharf auf meine Kekse sind«, sagte mein Vater. »Bilden Sie sich ja nicht ein, ich würde Ihnen welche abgeben! Holen Sie sich selber welche!«
Ich goss mir noch ein Glas Wein ein.
»Okay«, brüllte Lula von oben. »Nicht gucken! Alle die Augen zumachen, bis wir unsere Position eingenommen haben.«
»Ich mache meine Augen nicht zu«, sagte mein Vater. »Sonst frisst der italienische Hengst hier noch meine Kekse.«
Der Schlagzeuger drosch ein paar Mal mordsmäßig auf seine Trommeln, Bass und Keyboard setzten mit ohrenbetäubender Lautstärke ein, und der Kronleuchter im Esszimmer schaukelte an seiner Kette und klirrte. Die Teller tanzten über den Esstisch, meinem Vater fiel ein angeknabberter Keks aus dem Mund, und Bob warf den Kopf zurück und jaulte.
Meine Mutter kam mit der Tüte aus der Küche gerannt, aber es war zu spät. Lula, Grandma und Sally standen auf der improvisierten Bühne, Grandma und Lula in schwarzen Leder-Hotpants, die Büstenhalter mit kegelförmigen Körbchen. Grandma sah aus wie ein Suppenhuhn, das einen auf Madonna machte. Sie war nur schlaffe Haut und magere Knochen, Knorpelknie und O-Beine. Ihre blonde Perücke saß schief, der Kegel-BH hing tief, nicht weil ihre Brüste so schwer waren, sondern bis zum Bauch reichten. Die Schwerkraft meinte es nicht gut mit Grandma. Lulas Körpermassen dagegen quollen förmlich unter ihrem Outfit hervor. Die Hotpants reduzierten sich vorne auf schwarze Leder-Cameltoes und hinten auf einen angedeuteten Tangaslip. Der Kegel-BH hüpfte wie ein Spitzenhäubchen auf den Warzen ihrer basketballgroßen Brüste. Die beiden trugen Plateauschuhe und Hundehalsbänder mit Killernieten. Sally trug ebenfalls ein Halsband, einen schwarzen Ledertanga mit einem silbernen Metallreißverschluss, der unerklärlicherweise über die gesamte Länge des Beutels ging, und piratenfilmmäßige schwarze Leder-Stulpenstiefel, die bis über die Knie gingen und gigantische Plateausohlen hatten.
Meine Mutter bekreuzigte sich und taumelte zu ihrem Esstischstuhl. Morelli biss sich fest auf die Unterlippe, um nicht in lautes Lachen auszubrechen. Mein Vater stand kurz vor einem Herzinfarkt. Bob flüchtete nach oben.
Lula und Grandma fingen ihre Tanznummer an, und Morelli brach vor lauter Anstrengung, Haltung zu bewahren, der Schweiß aus. Grandma torkelte auf einen Verstärker zu, verhedderte sich mit ihren Absätzen in einem Kabel, kippte in das Schlagzeugset und riss den Bassspieler gleich mit zu
Weitere Kostenlose Bücher