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12 Tante Dimity und der Wilde Westen (Aunt Dimity Goes West)

12 Tante Dimity und der Wilde Westen (Aunt Dimity Goes West)

Titel: 12 Tante Dimity und der Wilde Westen (Aunt Dimity Goes West) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Atherton
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sah ich die teuflischen Augen Abaddons, die mich anstarrten.

16
    »LORI? LORI, WACHEN Sie auf! Sagen Sie etwas, Lori!«
    Ich öffnete die Augen und fand mich flach auf dem Rücken liegend, auf dem Teppich in der Bibliothek. Der Regen schlug noch immer schwer gegen die Scheiben, aber das Licht war wieder angegangen. Toby kniete neben mir, hatte meine rechte Hand umklammert und sah sehr jung und sehr erschrocken aus.
    »Hallo«, sagte er mit dem heldenhaften Versuch eines Lächelns.
    Ich sah benommen zu ihm hinauf. »W-was ist passiert?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Ich hörte Sie schreien und bin losgerannt.«
    »Ich habe geschrien?«, sagte ich mit gerunzelter Stirn.
    »O ja.« Toby nickte ernst. »Ich habe es bei geschlossener Tür gehört.«
    »Aber warum sollte ich …« Ein Blitz erhellte die Vorhänge, und die Erinnerung schwappte über mich wie eine Springflut. Ich ergriff Tobys Hand und flüsterte: »Er war’s, er.«
    Tobys Augen weiteten sich, und er sah sich um. »Ist jemand hier? Hat jemand Sie angegriffen?«
    »Ja … nein … nicht hier … in Schottland … sein Gesicht, ich habe sein Gesicht gesehen.« Ich schloss die Augen und erschauderte.
    »Schottland?« Toby legte mir den Handrücken auf die Stirn, als wolle er prüfen, ob ich Fieber hatte. »Fühlen Sie sich schwindelig, Lori? Womöglich sind Sie dehydriert. Ich habe Ihnen doch tausend Mal gesagt, Sie sollen viel …«
    »Ich bin nicht dehydriert«, wehrte ich ab. Ich schob seine Hand beiseite und richtete mich auf. »Ich habe sein Gesicht gesehen.«
    »Wessen Gesicht?«, fragte Toby.
    Ich stöhnte auf, sackte nach vorne und bedeckte mein eigenes Gesicht mit den Händen.
    »Sie zittern ja, Lori. Kommen Sie, stehen Sie vom Boden auf.« Toby zog mich hoch und setzte mich in einen Sessel. Er zog das Fell von der Rückenlehne und legte es mir über die Schultern. Besorgt schaute er mich an. »Soll ich Ihren Mann anrufen?«
    »Nein!«, fuhr ich ihn an. »Auf keinen Fall. Sie sollen niemanden anrufen, weder Bill noch Annelise. Niemanden.«
    »Okay, okay, ich mach es nicht.« Toby kratzte sich den Kopf und sah sich hilflos um. »Wie wäre es mit einer Tasse Tee?«
    Ich zog das Fell dichter an mich und lächelte schwach. »Sie klingen wie mein Ehemann.«
    »Fallen Sie zu Hause oft in Ohnmacht?«
    »Nein, aber ich wache jeden Morgen schreiend auf.« Tränen kullerten aus meinen Augen. »Und Bill macht mir immer eine Tasse Tee. Er ist so freundlich. Genau wie Sie.« Ich senkte den Kopf. »Es tut mir leid, Toby, ich habe Ihren freien Abend ruiniert.«
    »Ich wollte ja gar nicht frei haben. Was kann ich für Sie tun?«, fragte er mit einem Hauch Verzweiflung.
    Ich wischte mir die Tränen aus den Augen und deutete mit zitterndem Zeigefinger auf den Schreibtisch. »Bringen Sie mir die Schachtel.«
    Toby zögerte, doch dann holte er die graue Schachtel und legte sie in meinen Schoß. Langsam richtete ich den Blick auf das alte, sepiagetönte Foto, das ich mir als letztes beim Schein von James Blackwells Laterne angesehen hatte.
    Der Mann auf dem Bild stand kerzengerade vor einer viktorianischen Tapete. Eine Hand lag auf dem Revers seines schlecht sitzenden Anzugs, die andere ruhte auf der Rückenlehne eines mit Samt bezogenen Stuhls. Er hatte ein schmales, bleiches Gesicht, wirres, schwarzes Haar und dunkle durchdringende Augen, so schwarz und unergründlich wie der Höllenschlund.
    »Abaddon«, hauchte ich.
    »Aba wer?«, fragte Toby.
    Ich konnte meinen Blick nicht von dem Foto losreißen. »Wissen Sie, wer dieser Mann ist?«
    Toby beugte sich über meine Schulter und schaute sich das Bild an. Dann nahm er es in die Hand und drehte es um. »Ich habe keine Ahnung, und auf der Rückseite steht auch nichts. Da das Foto aus dem Archiv der Historical Society stammt, nehme ich an, dass es einer von den vielen ist, die hier ein Vermögen machen wollten. Viele Männer ließen damals Porträts von sich anfertigen, um ihren Verwandten zu zeigen, wie erfolgreich sie waren, ob es stimmte oder nicht.« Er zog einen Sessel heran, stellte die Schachtel auf seine Knie und zog Foto um Foto hervor. »Sehen Sie? Lauter Aufnahmen wie diese.«
    Er schien froh zu sein, sich mit irgendetwas beschäftigen zu können, auch wenn er nicht ganz verstand, worum es ging. Er zeigte mir ein sepiagetöntes Bild nach dem anderen, formale Porträts namenloser Männer in Anzügen, die entweder zu eng oder zu weit oder zu kurz oder zu lang für sie waren. Während ihre ernsten,

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