12 - Tod Bei Vollmond
ihre Tante besuchen und den gleichen Weg über den Hügel nehmen wollte?«
»Zu dem Zeitpunkt nicht«, erwiderte Brocc.
»Also bist du über den Hügel gegangen?«
»Mein Weg führte über den Sattel, von wo aus man die Abtei sieht.«
»Wie weit davon entfernt hat man Escrach gefunden?«
»Sie lag bei ein paar großen Felsblöcken, einem Steinkreis, der sich etwas höher befindet, auf der gleichen Hügelseite.«
Fidelma ermahnte ihn mit einer Geste, fortzufahren.
»Sonst gibt es kaum noch Nennenswertes. Ich kam über den Hügel und sah einen der Fremdlinge, einen von denen aus der Abtei.«
»Was hat er gemacht?« fragte Fidelma interessiert.
»Was der Fremdling tat? Nun, nichts. Er saß einfach nur beim Steinkreis der Wildschweine. Sein Gesicht war dem Mond zugewandt. Ich hätte wissen müssen, daß da etwas nicht stimmte. Als ich ihn grüßte, erwiderte er nichts darauf. Ihn umgab irgend etwas Düsteres – wie er da einfach so auf dem Hügel mitten im Mondlicht hockte, als wollte er sein Gesicht im Mondlicht baden.«
»Und was hast du dann gemacht?«
»Ich murmelte rasch ein Gebet und eilte heim zu meiner Hütte. Erst am nächsten Morgen erfuhr ich, daß man Escrachs Leiche entdeckt hatte.«
Nun herrschte Schweigen, Fidelma dachte über seine Worte nach.
»Du sagst also, daß du diesen Fremden dort sitzen sahst. Escrach hast du nicht gesehen. Am nächsten Tag fand man ihre Leiche an jenem Ort. Ist das so richtig?«
»Ja.«
Fidelma seufzte. »Das wirft viele Fragen auf. Doch es beweist keinesfalls, daß dieser Mann und Escrach aufeinandertrafen, und noch weniger, daß er sie umgebracht hat. Das Gesetz verlangt Beweise und nicht nur vage Mutmaßungen. Und diese Geschichte hast du dann deinem Bruder erzählt, oder? Am gleichen Tag hast du die Leute noch nicht dazu aufgewiegelt, die Abtei zu stürmen, nicht wahr? Warum hast du dir einen Monat Zeit gelassen, bis ein weiterer Mord geschah?«
Brocc schüttelte den Kopf wie ein großer zotteliger Hund. »Ich habe es meinem Bruder nicht gleich erzählt. Erst nach Ballgels Tod in der vergangenen Woche wurde mir der Zusammenhang bewußt. Als Escrach in der Nacht des Dachsmondes dran glauben mußte, war mir klar, daß unter uns jemand ist, der immer bei Vollmond mordet. Da erst begriff ich, was ich damals gesehen hatte. Der Fremdling auf dem Hügel, der im Mondlicht badete.«
»Bist du zur Abtei gegangen, um den Fremden damit zu konfrontieren?« fragte Fidelma, immer noch skeptisch.
Seachlann kam seinem Bruder zu Hilfe. »Nachdem mir Brocc berichtet hatte, was ihm in jener Nacht aufgefallen war, sind wir alle losmarschiert. Die Leute wollten, daß man ihnen die Fremden auslieferte.«
»Wurde Brocc an jenem Tag vom Pfeil verwundet?«
»Ja.«
»Warum verlangtest du, daß euch alle Fremden ausgeliefert werden? Warum hast du die drei nicht holen lassen und denjenigen herausgesucht, den du in der Mordnacht gesehen hattest, und auf einer Erklärung bestanden?«
»Die sind doch alle gleich«, fuhr Seachlann wütend dazwischen. »Die sind alle genauso schuldig.«
»Das klingt nicht gerade sehr vernünftig«, meinte Fidelma.
»Du kennst sie noch nicht.«
»Dann werden wir das umgehend nachholen«, versicherte ihm Fidelma. »Doch fest steht, du warst weder Augenzeuge von Escrachs Tod noch von den anderen Morden. Als du den Fremden im Mondschein beobachtet hast, war er allein.«
»Niemand ohne böse Absichten würde nachts bei Vollmond auf dem Hügel sitzen, einfach so, und in den Mond starren«, widersprach ihr Brocc.
»Es gibt viele Gründe, aus denen man bestimmte Sachen tut, die einem Außenstehenden merkwürdig vorkommen mögen«, wies ihn Eadulf zurecht. »Wäre es nicht besser gewesen, nach Erklärungen zu suchen, anstatt jenem Mann Gewalt zu unterstellen … Ihm und seinen Gefährten, die du gar nicht gesehen hast? Möglicherweise hatte der Mann guten Grund, sich zu dieser Zeit dort aufzuhalten.«
»Was für einen Grund?« warf Brocc aufgebracht ein.
Eadulf lächelte ein wenig. »Richtig! Niemand von uns weiß, warum er dort saß. Aber ehe wir irgendwelche Schlußfolgerungen ziehen, sollten wir der Sache genauer nachgehen. Escrachs Leiche wurde an derselben Stelle gefunden, doch wo ist der Beweis, daß Escrach zur selben Zeit wie der Fremde auf dem Hügel war?«
Seachlann schüttelte verärgert den Kopf. »Du sprichst wie alle Mönche. Mit honigsüßer Zunge lenkst du uns von den Dingen ab, wie sie wirklich sind.«
»Vor der Wahrheit solltest du
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