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12 - Wer die Wahrheit sucht

12 - Wer die Wahrheit sucht

Titel: 12 - Wer die Wahrheit sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Fitzgerald ein, und sie fragte sich, ob das nicht zur Ernüchterung der jungen Frau beigetragen hatte: Allzu viele Momente, da sie erkennen musste, dass es immer wieder Zeiten geben würde, wo sie allein zurechtkommen musste, weil Adrian sich in seinem Zimmer einschloss oder Schlimmeres. Guy hatte ja weiß Gott jeden, der ein bisschen sensibel war, in Grund und Boden stampfen und in tiefe Selbstverachtung stürzen können. Wenn er auf diese Weise mit Adrian verfahren war, als dieser mit Carmel in Le Reposoir zu Gast gewesen war, was mochte da in der jungen Frau vorgegangen sein, wie empfänglich hätte sie das für die Annäherungsversuche eines Mannes gemacht, der offensichtlich ganz in seinem Element war, ungeheuer männlich und so beschissen tüchtig. Verdammt empfänglich, dachte Margaret. Was Guy zweifellos erkannt und sofort gewissenlos ausgenutzt hatte.
    Aber bei Gott, er würde bezahlen. Er hatte im Leben nicht bezahlt. Aber er würde jetzt bezahlen.
    So besessen war sie von diesem Vorsatz, dass sie die Rue de la Villiaze beinahe ein zweites Mal verpasst hätte. Erst im letzten Moment sah sie, ganz in der Nähe des Flughafens, einen schmalen Weg nach links abgehen. Sie lenkte den Wagen darauf und donnerte an einem Pub und einem Hotel vorüber in offenes Land, wo sie zwischen hohen Böschungen und Hecken, hinter denen Bauernhöfe und brache Felder lagen, weiterfuhr. Kleine Seitenstraßen, die eher wie Feldwege aussahen, zweigten hier und dort ab, und gerade als sie beschlossen hatte, ihr Glück auf einer von ihnen zu versuchen, erreichte sie eine Kreuzung und entdeckte wunderbarerweise ein Schild, das nach rechts, nach La Corbiere wies.
    Margaret sandte ein Dankgebet an den Gott der Autofahrer, der sie hierhergelotst hatte, und bog in eine von Hecken gesäumte, schmale Landstraße ein, die sich durch nichts von den anderen Straßen unterschied. Wäre ihr ein Auto entgegengekommen, so hätte sie oder der andere Fahrer bis zur nächsten Kreuzung zurückstoßen müssen, aber sie hatte Glück, sie sah auf ihrem Weg, der an einem weiß getünchten Bauernhaus und zwei fleischfarbenen cottages vorüberführte, weit und breit kein anderes Fahrzeug.
    Dafür sah sie, an einem Knick in der Straße, das Muschelhaus. Adrian hatte Recht, nur ein Blinder hätte es verfehlen können. Das Haus selbst war aus Stein mit gelbem Anstrich. Die Muscheln, denen es seinen Namen verdankte, schmückten die Einfahrt, die Einfriedungsmauer und den großen Vorgarten.
    Es war die geschmackloseste Kreation, die Margaret je gesehen hatte, ein Ensemble, das von einem Irren geschaffen schien. Miesmuscheln, Schneckenmuscheln, Seeohren, Herzmuscheln und hier und dort eine Tigerschnecke bildeten Randverzierungen um Rabatten, in denen mit biegsamem Draht und Klebstoff gefertigte Blumen aus Muschelschalen standen. In der Mitte der Rasenfläche prangte von Muschelwänden umschlossen und Muschelufern umkränzt ein seichter Teich, in dem - Gott sei Dank! - ganz normale Goldfische schwammen. Doch überall um diesen Teich herum harrten auf muschelverzierten Sockeln aus Muscheln geschaffene Götzenbilder der Anbetung. Zwei Gartentische aus Muscheln, um die sich die passenden Muschelstühle gruppierten, waren mit Teegeschirr aus Muscheln gedeckt, und auf den Kuchentellern warteten muschelartige Leckerbissen. An der Fassade des Hauses waren Miniaturmodelle einer Feuerwache, einer Schule, einer Scheune und einer Kirche aufgebaut, sämtlich im Perlmuttglanz der Schalen der Tiere, die für diese Kunstwerke ihr Leben hatten lassen müssen. Das konnte einem weiß Gott die Bouillabaisse auf immer vermiesen, dachte Margaret, als sie aus dem Range Rover stieg.
    Sie schauderte angesichts dieses Monuments der Vulgarität, das unangenehme Kindheitserinnerungen weckte: an Sommerferien am Meer, an die verschluckten Buchstaben H, all die fettigen Fritten, all das teigige Fleisch, das so hässlich rot gebrannt war, nur damit man allen zeigen konnte, dass das Geld für einen Urlaub am Meer reichte.
    Margaret schob die Gedanken weg, das Bild ihrer Eltern, wie sie auf der Treppe des gemieteten Strandhauses standen, eng umschlungen, jeder mit einer Flasche Bier in der Hand. Erst die schmatzenden Küsse, dann das Kichern ihrer Mutter und das, was dem Kichern folgte.
    Genug, dachte Margaret. Entschlossenen Schritts marschierte sie die Einfahrt hinauf, rief einmal gebieterisch »Hallo!«, dann ein zweites und ein drittes Mal. Im Haus rührte sich nichts, aber an der Mauer

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