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12 - Wer die Wahrheit sucht

12 - Wer die Wahrheit sucht

Titel: 12 - Wer die Wahrheit sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Rings, sagte er, lasse darauf schließen, dass er nicht sehr lange am Strand gelegen habe. Aber zu dem Schluss sei der Chief Inspector bei Begutachtung des Schmuckstücks zweifellos selbst schon gekommen.
    Le Gallez legte sein Sandwich nieder und wischte sich die Finger an einer Papierserviette ab. Er griff nach einer Tasse Kaffee, die er bis jetzt nicht angerührt hatte, und nahm sie in seine Hand, bevor er sprach. Er sagte nur zwei Worte.
    »Welcher Ring?«
    St. James sank der Mut. Ein Ring aus Bronze oder Messing oder irgendeinem der weniger edlen Metalle, erklärte er. Oben ein Totenkopf mit zwei gekreuzten Knochen, und auf der Stirn des Schädels eine Inschrift in Deutsch. Er habe ihn vor einiger Zeit aufs Präsidium bringen lassen, mit der ausdrücklichen Anweisung, ihn Chief Inspector Le Gallez persönlich zu übergeben.
    Er sagte nichts davon, dass seine Frau die Botin gewesen war, weil er damit beschäftigt war, sich innerlich darauf vorzubereiten, das Unvermeidliche von Le Gallez zu hören. Er fragte sich bereits, was dieses Unvermeidliche sein würde, obwohl er glaubte, die Antwort zu wissen.
    »Nie gesehen«, sagte Le Gallez. Er griff zum Telefon und rief die Wache an, um sich zu vergewissern, dass der Ring nicht dort auf ihn wartete. Er sprach mit dem Dienst habenden Beamten und beschrieb ihm den Ring, wie St. James ihn zuvor beschrieben hatte. Bei der Antwort des Beamten brummte er nur vor sich hin und warf einen Blick auf St. James, bevor er einem längeren Vortrag lauschte. Schließlich sagte er: »Na, dann rauf damit, Mann«, woraufhin St. James erleichtert aufatmete. Dann fügte er hinzu: »Herrgott noch mal, Jerry, bei mir brauchen Sie sich nicht über das verdammte Faxgerät zu beschweren. Regeln Sie es einfach, und Schluss damit.« Damit knallte er schimpfend den Hörer auf und zerstörte um zweiten Mal St. James' Seelenfrieden, als er sagte: »Keine Spur von einem Ring.«
    »Vielleicht hat es ein Missverständnis gegeben.« Oder einen Verkehrsunfall, hätte St. James gern gesagt, obwohl er wusste, dass das nicht der Fall sein konnte. Er war auf dem gleichen Weg aus Le Reposoir zurückgekommen, wie ihn mit ziemlicher Sicherheit seine Frau genommen hatte und hatte nirgends auch nur die geringste Spur eines Unfalls bemerkt, der Deborah davon hätte abgehalten haben können, seinen Auftrag auszuführen. Bei dem Tempo, das auf der Insel gefahren wurde, brauchte man sowieso keine größeren Unfälle zu fürchten. Ein paar verbeulte Stoßstangen oder eingedrückte Kotflügel vielleicht, aber nichts Ernsteres. Und so eine Kleinigkeit hätte sie weiß Gott nicht daran gehindert, den Ring wie vereinbart zu Le Gallez zu bringen.
    »Ah, ein Missverständnis.« Le Gallez war längst nicht mehr so freundlich. »Ich verstehe, Mr. St. James. Da liegt offensichtlich ein Missverständnis vor.« Er blickte auf, als an seiner Tür ein uniformierter Beamter mit irgendwelchen Papieren in den Händen erschien. Le Gallez winkte ab. Er stand auf und schloss seine Zimmertür. Mit verschränkten Armen wandte er sich St. James zu und sagte: »Es stört mich nicht weiter, wenn Sie hier rumschnüffeln, Mr. St. James. Wir leben in einem freien Land, und wenn Sie mal mit dem einen oder anderen reden wollen und der Betreffende nichts dagegen hat, soll mir das recht sein. Aber wenn Sie anfangen, sich an Beweismaterial zu vergreifen, steht das auf einem anderen Blatt.«
    »Das verstehe ich. Ich -«
    »Nein, das glaube ich nicht. Sie sind mit einer vorgefassten Meinung hier angereist, und wenn Sie glauben, dass mir das nicht klar ist und ich nicht weiß, wohin das führen kann, sollten Sie noch einmal gründlich nachdenken. Und jetzt will ich diesen Ring haben. Auf der Stelle. Mit der Frage, wo er gewesen ist, seit Sie ihn vom Strand mitgenommen haben, können wir uns später befassen. Und mit der Frage, warum Sie ihn überhaupt mitgenommen haben. Denn Sie wissen doch verdammt gut, was Sie eigentlich hätten tun müssen. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«
    St. James war seit seiner Schulzeit nicht mehr gemaßregelt worden, und dieser Vortrag von Le Gallez - ähnlich einer Standpauke von einem zornigen Lehrer - war nicht angenehm. Alles in ihm zog sich zusammen unter der Demütigung, die umso schlimmer war, weil er wusste, dass er sie verdient hatte. Nein, das machte die Züchtigung nicht weniger erniedrigend und konnte auch an den möglichen katastrophalen Auswirkungen dieses Moments auf sein berufliches Ansehen nichts

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