12 - Wer die Wahrheit sucht
Sie aus, Mann! Lassen Sie es hinter sich. Ich glaube an Sie. Ich werde Ihnen unter die Arme greifen. Lassen Sie sich von mir helfen. Wer nicht wagt, gewinnt auch nicht, verdammt noch mal! Und ich habe ihm geglaubt. Ich wollte es. Mehr als dieses Leben hier. Für meine Mädchen. Ja, ich wollte es für meine Töchter. Aber auch für mich. Was ist daran Sünde?«
»Nichts«, sagte Margaret. »Wir alle wollen das Beste für unsere Kinder. Ich auch. Darum bin ich ja hier, für Adrian. Meinen und Guys Sohn. Weil ihm so übel mitgespielt wurde. Er ist um sein rechtmäßiges Erbe betrogen worden, Mr. Moullin. Sie wissen doch, dass das ein großes Unrecht ist, nicht wahr?«
»Wir sind alle betrogen worden«, sagte Henry Moullin. »Darin war Ihr Exmann ein Meister. Jahrelang hat er uns alle aufgebaut und bei jedem von uns den richtigen Moment abgewartet. Hey, unser Mr. Brouard ist unbestechlich, der würde nie krumme Sachen machen. Nichts Unmoralisches. Nichts, was nicht recht und billig ist. Wir haben ihm aus der Hand gefressen und hatten keine Ahnung, dass sie vergiftet war.«
»Möchten Sie denn nicht helfen, das wieder gutzumachen?«, fragte Margaret. »Sie haben es in der Hand. Sie können mit Ihrer Tochter sprechen und es ihr erklären. Wir würden nicht verlangen, dass Cynthia alles Geld wieder hergibt, das er ihr hinterlassen hat. Wir wollen nur eine gerechte Verteilung, die Adrians Stellung als Guys leiblicher Sohn entspricht.«
»Ach, darum geht's Ihnen?«, sagte Henry Moullin. »So, meinen Sie, kann man alles ins Reine bringen? Dann kann ich nur sagen, Sie sind genau wie er. Glauben, dass Geld alles wieder gutmacht. Aber das tut es nicht und wird es auch nie tun.«
»Dann wollen Sie also nicht mit ihr reden? Es ihr nicht erklären? Müssen wir wirklich zu anderen Maßnahmen greifen?«
»Sie begreifen offensichtlich gar nichts«, sagte Henry Moullin. »Mit meiner Tochter gibt's nichts mehr zu reden. Und nichts mehr zu erklären.«
Er wandte sich ab und ging mit den Gartengeräten dorthin zurück, woher er einige Minuten zuvor gekommen war.
Margaret blieb noch einen Moment auf dem Gartenweg stehen, nachdem er hinter dem Haus verschwunden war. Zum ersten Mal in ihrem Leben fehlten ihr die Worte. Sie fühlte sich beinahe überwältigt von dem Hass, den Henry Moullin zurückgelassen hatte. Er war wie ein Strudel, der sie in eine Flutwelle hineinzog, der zu entkommen es kaum Hoffnung gab.
Unerwartet empfand sie eine innere Verwandtschaft mit diesem verstörten Mann. Sie verstand, was er durchmachte. Deine Kinder sind dein Eigentum, sie gehören keinem so, wie sie dir gehören. Sie sind etwas anderes als dein Partner, deine Eltern, deine Geschwister. Deine Kinder sind von deinem Fleisch und deiner Seele. Kein Eindringling kann so leicht das Band zerreißen, das aus solchem Stoff gemacht ist.
Aber wenn ein Eindringling versuchte, wenn es ihm gar glückte...?
Niemand wusste besser als Margaret Chamberlain, wie weit jemand zu gehen imstande war, um die Beziehung zu seinem Kind zu bewahren.
13
Zurück in St. Peter Port, ging St. James zuerst ins Hotel. Als er das Zimmer leer vorfand und am Empfang keine Nachricht auf ihn wartete, ging er weiter ins Polizeipräsidium, wo er Chief Inspector Le Gallez mitten im herzhaften Genuss eines dick mit Garnelensalat belegten Baguette störte. Der Chief Inspector nahm ihn mit in sein Büro. Er bot ihm die Hälfte seines Brots an (die St. James dankend ablehnte) und eine Tasse Kaffee (die St. James dankend annahm). Zum Kaffee wartete er mit Schokokeksen auf, aber da sie aussahen, als wäre der Guss einmal zu oft geschmolzen und wieder hart geworden, lehnte St. James auch hier ab und begnügte sich mit dem Kaffee.
Zunächst setzte er Le Gallez über die Manipulationen der Geschwister Brouard zur Umgehung des geltenden Erbrechts ins Bild. Le Gallez hörte kauend zu und machte sich Notizen auf einem Block, den er aus einem Ablagekorb auf seinem Schreibtisch kramte. Er unterstrich die Namen Fielder und Moullin und setzte hinter den zweiten ein Fragezeichen. Er wisse, sagte er, St. James in seinem Bericht unterbrechend, von Brouards Beziehung zu Paul Fielder, von Cynthia Moullin jedoch habe er noch nie gehört. Er vermerkte Einzelheiten zu den Testamenten der beiden Brouards und hörte höflich zu, als St. James ihm eine Theorie unterbreitete, über die er auf der Rückfahrt zur Stadt nachgedacht hatte.
In dem früheren Testament, das Ruth Brouard gekannt hatte, waren
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