12 - Wer die Wahrheit sucht
das rhythmische Wippen seines Fußes verriet, wie konzentriert er in seinem Bemühen war, etwas zu finden, das seiner Schwester helfen könnte.
Potter-Mutter riss sich von Audrey und Albert los. Sie war rundlich und hatte leicht hervorquellende Augen, mit denen sie Deborah freundlich anblickte, als sie fragte: »Kann ich etwas für Sie tun, junge Frau?«
»Es geht um etwas Militärisches.«
»Da ist mein Sohn Mark zuständig.« Sie watschelte zu einer angelehnten Tür, hinter der, als sie sie aufzog, eine Treppe sichtbar wurde. Sie bewegte sich wie jemand, der ein neues Hüftgelenk brauchte. Bei jedem Schritt stützte sie sich mit einer Hand irgendwo ab. Sie rief ins obere Stockwerk hinauf nach ihrem Sohn, dessen körperlose Stimme ihr antwortete. Es sei Kundschaft da, sagte sie, und er müsse jetzt seinen Computer mal sein lassen. »Dieses Internet«, vertraute sie Deborah an. »Das ist schlimmer als Heroin, wenn Sie mich fragen.«
Mark Potter hatte keine Ähnlichkeit mit einem Süchtigen irgendeiner Art. Trotz der Jahreszeit war er braun gebrannt, und seine Bewegungen waren energisch und kraftvoll.
Was er für sie tun könne, wollte er wissen. Ob sie etwas Bestimmtes suchten. Er bekomme ständig neue Ware - »Wissen Sie, die Leute sterben, aber ihre Sammlungen bleiben, umso besser für uns andere, finde ich« -, wenn sie also etwas suchten, was er gerade nicht da hätte, könne er es ihnen sicher besorgen.
Deborah zeigte den Ring. Mark Potter strahlte, als er ihn sah. »Noch einer!«, rief er. »So ein Zufall. Seit ich hier im Geschäft stehe, ist mir nur ein einziger dieser Art untergekommen. Und jetzt gleich noch ein zweiter. Wo haben Sie den denn her?«
Jeanne Potter trat neben ihren Sohn hinter die Vitrine, auf der Deborah den Ring mit der Bitte, ihn nicht zu berühren, abgelegt hatte. »Der sieht genauso aus wie der, den du verkauft hast, nicht, mein Junge?«, rief sie. Und zu Deborah sagte sie: »Wir hatten ihn so lange hier. War ein bisschen gruselig, wissen Sie, so wie der hier. Ich hätte nie gedacht, dass wir ihn überhaupt noch mal verkaufen. So was mag ja nicht jeder.«
»Haben Sie ihn erst kürzlich verkauft?«, erkundigte sich Deborah.
Die Potters sahen einander an. Potter-Mutter sagte: »Wann...?«
Potter Sohn: »Vor zehn Tagen? Zwei Wochen vielleicht?«
»Wer hat ihn gekauft?«, fragte Cherokee. »Wissen Sie das noch?«
»Aber ja, ganz genau«, antwortete Mark Potter.
Und seine Mutter bemerkte lächelnd: »Das ist wieder mal typisch. Für so was hast du immer schon einen Blick gehabt.«
Mark Potter lachte. »Das ist nicht der Grund, und das weißt du auch. Hör auf, mich zu ärgern, Mama.« Dann wandte er sich Deborah zu. »Es war eine Amerikanerin. Ich erinnere mich deshalb so genau, weil wir hier in Guernsey kaum Amerikaner haben und um diese Jahreszeit überhaupt keine. Was sollen sie auch hier? Die haben aufregendere Reiseziele im Auge als die Kanalinseln.«
Deborah hörte, wie Cherokee neben ihr nach Luft schnappte. Sie sagte: »Sie sind sicher, dass es eine Amerikanerin war?«
»Aus Kalifornien. Ich hörte ihren Akzent und habe gefragt. Meine Mutter ebenfalls.«
Jeanne Potter nickte. »Wir haben uns über Filmstars unterhalten«, berichtete sie. »Ich war ja nie in Kalifornien, aber ich glaubte immer, wenn man dort lebt, begegnet man ihnen jeden Tag auf der Straße. Aber sie sagte, das sei nicht so.«
»Es ging um Harrison Ford«, sagte Mark Potter. »Nicht schwindeln, Mama.«
Sie lachte ein wenig verlegen. »Jetzt hör aber auf.« Und zu Deborah: »Stimmt, ich mag Harrison Ford. Diese kleine Narbe am Kinn! Die hat irgendwie was total Männliches.«
»Na, hör mal!«, sagte Mark. »Wenn Dad das hören könnte!«
Cherokee fragte: »Wie hat sie ausgesehen? Können Sie sich erinnern?«
Sehr viel hatten sie nicht von ihr gesehen, wie sich herausstellte. Sie hatte irgendwas um den Kopf getragen - Mark meinte, es sei ein Schal gewesen, seine Mutter sprach von einer Kapuze -, was ihr Haar verdeckt hatte und ihr tief ins Gesicht gefallen war. Da die Beleuchtung im Laden nicht gerade strahlend sei, und es an dem fraglichen Tag wahrscheinlich geregnet hatte... Nein, sie konnten nicht viel über das Aussehen der Amerikanerin sagen. Aber sie sei ganz in Schwarz gewesen, wenn das eine Hilfe sei, und sie habe eine Lederhose angehabt. Daran erinnerte sich Jeanne Potter genau, weil sie in dem Alter garantiert auch so etwas getragen hätte, wenn es das damals schon gegeben und sie die
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