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12 - Wer die Wahrheit sucht

12 - Wer die Wahrheit sucht

Titel: 12 - Wer die Wahrheit sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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unsere Sache gut gemacht, aber jetzt führen sie ihr eigenes Leben, und es ist schwer für dich, dass du als Vater nicht mehr gebraucht wirst. Damit hat es angefangen. Ich habe dir die Sehnsucht gleich angesehen, als Mary Beths Mädchen das erste Mal zum Tee hier waren.«
    Sie sah ihren Mann nicht an, und er sagte nichts. In jeder anderen Situation hätte sie sein Schweigen als Zustimmung auslegen und das Thema ruhen lassen können. Aber in dieser Situation konnte sie das nicht, denn würde sie das Thema jetzt ruhen lassen, so bestand die Gefahr, dass ein anderes zur Sprache kam. Die Auswahl an unverfänglichen Themen war im Moment zu gering, darum blieb sie bei diesem Thema und sagte sich, dass sie früher oder später sowieso an diesen Punkt gekommen wären.
    Sie sagte: »Das stimmt doch, Kev, nicht? So hat es angefangen.« Obwohl sie das Thema bewusst und kaltblütig gewählt hatte, um das andere, schrecklichere Wissen für immer unter Verschluss zu halten, musste sie an ihre Mutter denken und wie es gewesen war - das Betteln und die Tränen und das Flehen: Bitte verlass mich nicht, ich tue alles, was du willst, ich werde so sein, wie du mich haben willst, ich werde sein wie sie, wenn du das willst. Sie schwor sich, dass sie, wenn es je so weit kommen sollte, nicht den gleichen Weg gehen würde wie ihre Mutter.
    »Valerie!« Kevins Stimme klang rau. »Was ist aus uns geworden?«
    »Das weißt du nicht?«
    »Sag's mir!«
    Sie sah ihn an. »Gibt es denn ein ›uns‹?«
    Er schien so perplex, dass sie einen Moment lang versucht war, an dieser Stelle Halt zu machen, die Grenze, die so nahe war, nicht zu überschreiten. Aber das ging nicht.
    »Wovon redest du?«, fragte er.
    »Von Entscheidungen«, antwortete sie. »Von solchen, vor denen man sich drückt, und von solchen, die man trifft, um sich vor anderen zu drücken. So ist es gekommen. Und ich habe zugesehen. Ich habe weggesehen, die Augen davor verschlossen. Aber es ist trotzdem da, und du hast Recht, wir müssen endlich miteinander reden.«
    »Val, wem hast du gesagt -«
    Diese Richtung ließ sie ihn nicht einschlagen. Sie sagte: »Männer gehen nicht fremd, wenn nicht eine Leere da ist, Kev.«
    »Fremd gehen?«
    »Wenn nicht irgendwo eine Leere ist in ihrem Leben. Zuerst dachte ich, na gut, soll er ihren Vater spielen, er muss ja nicht gleich ihr Vater werden. Er kann ihnen geben, was ein Vater seinen Töchtern gibt, und wir beide, Kev und ich, wir werden damit schon zurechtkommen. Er kann in ihrem Leben Coreys Platz einnehmen. Das soll er ruhig für sie tun. Das ist gut.« Sie schluckte und wünschte, sie brauchte es nicht zu sagen. Aber sie wusste, dass sie, genau wie ihr Mann, in dieser Sache keine echte Wahl hatte. »Ich dachte, Kev«, sagte sie, »er braucht das Gleiche ja nicht auch für Coreys Frau zu tun.«
    Kevin sagte: »Moment mal. Du hast geglaubt. Mary Beth - und ich?«
    Er war entsetzt. Sie wäre erleichtert gewesen, hätte sie ihn nicht weiter bedrängen müssen, um bei ihm jeden anderen Gedanken zu ersticken, dass sie ihn verdächtigt hatte, ein Verhältnis mit der Witwe seines Bruders zu haben. »So war es doch?«, setzte sie nach. »So war es doch, oder nicht? Ich will die Wahrheit wissen, Kev. Ich finde, ich verdiene sie.«
    »Wir wollen alle die Wahrheit wissen«, erwiderte Kevin. »Ich weiß nicht, ob wir sie verdienen.«
    »In einer Ehe?«, sagte sie. »Sag es mir, Kevin. Ich möchte wissen, was vorgeht.«
    »Nichts«, sagte er. »Ich verstehe nicht, wie du überhaupt auf so eine Idee kommen konntest.«
    »Ihre Mädchen. Ihre Anrufe. Immer brauchte sie dich, damit du ihr dies oder jenes richtest. Du warst immer für sie da, und die Jungs fehlen dir, und du wolltest... Ich merke genau, wie sehr dir die Jungs fehlen, Kev.«
    »Natürlich fehlen sie mir. Ich bin schließlich ihr Vater. Ist doch klar, dass sie mir fehlen. Aber das heißt doch nicht... Val, ich schulde Mary Beth das, was ein Bruder seiner Schwester schuldet. Nicht mehr und nicht weniger. Gerade von dir hätte ich erwartet, dass du das verstehst. Und das war der ganze Grund für das alles?«
    »Für was alles?«, fragte Valerie.
    »Die ausweichenden Antworten, die Geheimniskrämerei. Als hättest du was vor mir zu verbergen. So ist es auch, stimmt's? Du verheimlichst mir was. Du hast immer gern geredet, aber in letzter Zeit hast du überhaupt nicht mehr geredet. Und wenn ich gefragt habe, was los ist...« Er hob die Hand und ließ sie an seiner Seite herabsinken. »Du hast nur

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