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12 - Wer die Wahrheit sucht

12 - Wer die Wahrheit sucht

Titel: 12 - Wer die Wahrheit sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Bilder modernes Geschmier waren - Farbkleckse und Figuren, die aussahen wie durch den Wolf gedreht -, sie waren sicherlich wertvoll und hätten ihrem Sohn gehören müssen. Aber Guy hatte seine letzten Jahre darauf verwendet, ihrem Sohn ganz bewusst zu entziehen, was ihm zustand... Margaret kochte. Sie schwor, sich zu rächen.
    Adrian saß in einem Sessel und tat gar nichts. Es war kalt in der Galerie, und er hatte seine Lederjacke an. Die Beine hatte er lang vor sich ausgestreckt, die Hände in den Taschen. Er saß da wie jemand, der zusehen muss, wie seine bevorzugte Fußballmannschaft gerade eine fürchterliche Niederlage erleidet. Aber sein Blick war nicht auf den Bildschirm eines Fernsehgeräts gerichtet, sondern auf den Kaminsims. Dort stand ungefähr ein halbes Dutzend Familienfotos, unter ihnen Aufnahmen von Adrian mit seinem Vater, Adrian mit seinen Schwestern, Adrian mit seiner Tante.
    »Adrian«, sagte Margaret, »hörst du mich? Sie ist der Meinung, du hättest kein Recht auf sein Geld. Und sie behauptet, er wäre der gleichen Meinung gewesen. Sie sagte, er hätte von ererbten Rechten nichts gehalten. Genauso hat sie es formuliert. Und wir sollen diesen Quatsch glauben. Wenn dein Vater das Glück gehabt hätte, ein Vermögen zu erben, glaubst du, er hätte es ausgeschlagen? Glaubst du, er hätte gesagt: ›Ach, du liebe Zeit. Nein, danke. Das tut mir nicht gut. Soll es lieber jemand bekommen, der sich seine reine Seele auch dann bewahrt, wenn ihm unerwartet Geld in den Schoß fällt.‹ Bestimmt nicht. Heuchler sind sie, alle beide. Was er getan hat, das hat er nur getan, um mich auf dem Weg über dich zu bestrafen, und sie freut sich wie ein Schneekönig darüber, dass sie seine Pläne weiterführen kann. Adrian! Hörst du mir eigentlich zu? Hast du auch nur ein Wort von dem gehört, was ich eben gesagt habe?«
    Sie hatte sich gefragt, ob er wieder einmal in einen seiner Trancezustände geflohen war, denn das wäre typisch gewesen. Nehmen wir uns einfach eine Auszeit und stellen uns tot. Mami wird schon alles richten.
    Irgendwann war Margaret alles zu viel geworden: die unaufhörlichen Anrufe von all den Schulen, an denen Adrian aufgefallen war; die Schulkrankenschwestern, die ihr im Vertrauen mitgeteilt hatten, dass dem Jungen »eigentlich« nichts fehle; die Psychologen mit ihrem einfühlsamen Getue, die ihr erklärten, sie müsse ihrem Sohn endlich erlauben, sich abzunabeln, wenn sein Zustand sich bessern solle; die Ehemänner, deren Herz nicht groß genug war, um einen Stiefsohn mit so vielen Problemen zu akzeptieren; die Geschwister, die man bestrafte, weil sie ihn quälten; die Lehrer, die man herunterputzte, weil sie ihn nicht verstanden; die Ärzte, mit denen man stritt, weil sie ihm nicht helfen konnten; die Haustiere, auf die man verzichtete, weil er sie nicht mochte; die Arbeitgeber, bei denen man um eine dritte und vierte Chance bettelte; die Vermieter, mit denen man sich auseinander setzte; die möglichen Freundinnen, die man mit Bitten beschwor und manipulierte... Und das alles, damit er ihr wenigstens mal zuhörte, ein einziges Wort der Anerkennung murmelte, ihr sagte: Du hast dein Bestes getan, Mama, oder vielleicht auch nur brummte - aber nein, das war zu viel verlangt, das erforderte ja eine kleine Anstrengung, ein bisschen Mut und Interesse daran, ein Leben zu führen, das wirklich ein eigenes Leben war und nicht nur eine Erweiterung des ihren, denn auf irgendetwas musste eine Mutter sich doch verlassen können. Konnte sie sich nicht wenigstens darauf verlassen, dass ihre Kinder den Willen zum Überleben haben würden, wenn man sie sich selbst überließ?
    Aber bei ihrem ältesten Sohn konnte sie sich auf nichts verlassen. Und als Margaret das erkannte, begann ihre Entschlossenheit endlich zu bröckeln.
    »Adrian!«, rief sie, und als er nicht antwortete, schlug sie ihn mitten ins Gesicht. »Ich bin kein Möbelstück«, kreischte sie. »Antworte mir! Auf der Stelle! Adrian, wenn du mir nicht sofort -« Sie hob noch einmal die Hand.
    Er fing sie ab, hielt sie fest und ließ sie auch nicht los, als er aufstand. Erst dann schleuderte er sie von sich weg wie ein Stück Müll und sagte: »Du machst alles immer nur schlimmer. Ich will dich hier nicht haben. Fahr nach Hause.«
    Sie sagte: »Mein Gott! Wie kannst du es wagen...« Aber das war alles, was sie hervorbrachte.
    »Genug!«, rief er und ließ sie in der Galerie stehen.
    Sie war in ihr Zimmer gelaufen und hatte ihre Koffer unter dem

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