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12 - Wer die Wahrheit sucht

12 - Wer die Wahrheit sucht

Titel: 12 - Wer die Wahrheit sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Augenblick länger mit Cherokee River im Halbdunkel stehen blieb. Sie sagte: »Die Engländer haben immer Glück«, und ging.
    Sie wollte auf dem Rückweg zum Hotel über diesen Kuss nachdenken und alles, was ihm vorangegangen war. Sie nahm nicht den direkten Weg, sondern stieg die Constitution Steps hinunter und suchte sich von dort den Weg zur High Street.
    Es waren kaum Leute unterwegs. Die Geschäfte hatten geschlossen, und die wenigen Restaurants, die es gab, waren weiter draußen, näher bei Le Pollet. An Cherokees Geldautomaten vor einer Bank warteten drei Leute, und fünf halbwüchsige Jungen brüllten bei einem gemeinsamen Handygespräch so laut, dass ihre Stimmen in der ganzen engen Straße widerhallten. Eine magere Katze kam die Treppe vom Kai herauf und trottete an der Hausmauer entlang vorbei, während irgendwo in der Nähe ein Hund kläffte, dem eine laute Männerstimme immer wieder Schweigen gebot.
    An der Ecke, wo die High Street nach rechts abbog und unter dem Namen Le Pollet adrett gepflastert einen Hang hinunter zum Hafen führte, zweigte links die ansteigende Smith Street ab. Hier bog Deborah ein und nahm den Anstieg in Angriff, während sie darüber nachdachte, wie die Situation sich innerhalb zwölf kurzer Stunden verändert hatte. Was mit Angst und Verzweiflung begonnen hatte, hatte mit Freude und Erleichterung geendet. Und mit einem Geständnis. Aber darauf war nichts zu geben. Sie wusste, dass Cherokees Worte dem übersprudelnden Glück des Moments entsprungen waren, dem Glück darüber, die Freiheit wiedergewonnen zu haben, die er beinahe verloren hätte. Was in einem solchen Zustand gesprochen wurde, konnte man nicht ernst nehmen.
    Aber der Kuss... Den konnte sie ernst nehmen. Als das, was er war - ein Kuss. Er war ihr angenehm gewesen. Mehr, er hatte sie erregt. Aber sie war klug genug, um Erregung nicht mit mehr zu verwechseln. Und sie fühlte sich Simon gegenüber weder unloyal noch schuldig. Es war schließlich nichts weiter als ein Kuss gewesen.
    Sie lächelte bei der Erinnerung an die Augenblicke, die zu diesem Kuss geführt hatten. Das Talent, sich zu freuen wie ein Kind, war immer schon typisch für Chinas Bruder gewesen. Dieser Zwischenfall in Guernsey war eine Ausnahme in seinen dreiunddreißig Lebensjahren gewesen. Die Regel sah ganz anders aus.
    Sie konnten jetzt ihre Reise fortsetzen oder heimkehren. Wie auch immer, sie würden einen Teil von Deborah mitnehmen, jenen Teil, der sich in drei kurzen Jahren in Kalifornien vom Mädchen zur Frau entwickelte hatte. Ohne Zweifel würde Cherokee weiterhin seine Schwester wütend machen; ohne Zweifel würde China ihren Bruder weiterhin frustrieren. Sie würden fortfahren, sich aneinander zu reiben, wie das bei zwei so komplexen Persönlichkeiten nicht anders zu erwarten war. Aber am Ende würden sie immer wieder zusammenfinden. So war das bei Geschwistern.
    Über die Beziehung der beiden nachdenkend, ging Deborah an den Geschäften in der Smith Street vorüber, ohne ihre Umgebung richtig wahrzunehmen. Erst als sie auf halber Höhe war, blieb sie stehen, etwa dreißig Meter von dem Zeitungshändler entfernt, bei dem sie zuvor eine Zeitung gekauft hatte. Sie musterte die Gebäude zu beiden Seiten der Straße: Bürgerberatungsbüro, Marks & Spencer, Davies Reisebüro, Bäckerei Fillers, St. James' Galerie, Buchhandlung Buttons... Sie betrachtete sie alle und runzelte die Stirn. Sie ging zum Anfang der Straße zurück und lief noch einmal den Weg entlang - langsam und konzentriert. Am Kriegerdenkmal blieb sie stehen.
    Sie hastete zum Hotel.
    Simon war nicht im Zimmer. Er war in der Bar und las, einen Whisky neben sich, den Guardian. Eine Gruppe Geschäftsleute, die bei lautstarken Gesprächen Gin und Tonic kippten und dazu knirschend Kartoffelchips kauten, teilte sich die Bar mit ihm.
    In der Luft hingen beißender Zigarettenrauch und der Geruch durchgeschwitzter Hemden nach einem langen Tag heißer Finanzgeschäfte.
    Deborah drängte sich zu ihrem Mann durch. Sie sah, dass er sich schon zum Abendessen umgezogen hatte, und sagte hastig: »Ich laufe rauf und ziehe mich um.«
    »Das ist doch nicht nötig«, sagte er. »Wollen wir reingehen? Oder möchtest du vorher noch etwas trinken?«
    Es wunderte sie, wieso er nicht fragte, wo sie gewesen war. Er faltete die Zeitung zusammen und ergriff sein Whiskyglas, während er auf ihre Antwort wartete.
    Sie sagte: »Ich... einen Sherry vielleicht.«
    »Ich hole ihn«, sagte er und ging los, um sich

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