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12 - Wer die Wahrheit sucht

12 - Wer die Wahrheit sucht

Titel: 12 - Wer die Wahrheit sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Wasserglas sowie ein Gedeck für eine Person.
    Ruth sagte: »Adrian, warum bist du zurückgekommen? Deine Mutter - nun ja, sie hat es nicht direkt gesagt, aber als sie mir mitteilte, dass sie abreisen wolle, nahm ich an... Mein Junge, ich weiß, wie enttäuscht du über das Testament deines Vaters bist, aber es war sein fester Entschluss, und ich bin der Meinung, dass ich ihn respektieren muss, auch wenn -«
    »Ich erwarte nicht von dir, dass du irgendetwas unternimmst«, sagte Adrian. »Dad hat getan, was er für richtig hielt. Setz dich, Tante Ruth. Komm, ich hole dir ein Glas Wein.«
    Ruth war ein wenig verwundert. Sie wartete, während er in die Speisekammer ging, die Guy vor langer Zeit zum Weinkeller umfunktioniert hatte. Sie hörte das Klirren der Flaschen, als er unter den teuren Weinen seines Vaters seine Wahl traf. Eine schlug laut gegen das alte Marmorbord. Dann hörte sie es glucksen.
    Sie fragte sich, was er vorhatte. Als er wenig später zurückkehrte, hielt er eine geöffnete Burgunderflasche in der einen Hand und ein Glas mit Wein in der anderen. Es war eine alte Flasche, ihr Etikett staubig. Guy hätte sie für so eine bedeutungslose Mahlzeit nicht geöffnet.
    Sie sagte: »Ich glaube nicht...« Aber Adrian ging an ihr vorbei und zog mit großer Geste einen Stuhl für sie heraus.
    »Setzen Sie sich, Madam«, sagte er. »Das Abendessen ist serviert.«
    »Isst du nichts?«
    »Ich habe auf der Rückfahrt vom Flughafen etwas gegessen. Mama ist übrigens weg. Sie ist wahrscheinlich inzwischen gelandet. Wir haben uns endlich für immer voneinander verabschiedet. William - das ist ihr derzeitiger Ehemann, falls du es vergessen haben solltest - wird das bestimmt sehr zu schätzen wissen. Ist ja auch verständlich. Er hat meine Mutter ja nicht geheiratet, um gleich auch noch einen Dauermieter in Gestalt eines Stiefsohns bei sich aufzunehmen.«
    Hätte Ruth ihren Neffen nicht besser gekannt, so hätte sie sein Verhalten und sein Gerede als Anzeichen eines manischen Zustands ausgelegt. Aber sie kannte ihn seit siebenunddreißig Jahren und hatte nie etwas Manisches in seinem Verhalten entdeckt. Was sie in diesem Moment erlebte, war etwas anderes. Sie wusste nur nicht, wie sie es bezeichnen sollte, oder was es zu bedeuten hatte. Und wie sie es aufnehmen sollte.
    »Ist das nicht merkwürdig«, murmelte sie. »Ich war überzeugt, du hättest gepackt. Ich habe zwar den Koffer nicht gesehen, aber ich...
    Seltsam, nicht wahr, wie uns die Dinge erscheinen, wenn wir uns bereits unsere Meinung über sie gebildet haben?«
    »Ja, da hast du Recht.« Er gab Reis auf ihren Teller und Gulasch und stellte ihr den Teller hin. »Damit machen wir uns es uns ständig selbst schwer: Mit unseren vorgefassten Meinungen über das Leben und die Menschen. Du isst ja gar nicht, Tante Ruth.«
    »Mein Appetit... Es ist schwierig.«
    »Dann werde ich es dir erleichtern.«
    »Wie willst du das denn machen?«
    »Warte ab«, sagte er. »Ich bin nicht so unnütz, wie ich aussehe.«
    »Ich wollte nicht -«
    »Ist schon gut.« Er hob ihr Glas. »Trink einen Schluck Wein. Eines habe ich von Dad gelernt - es ist wahrscheinlich das Einzige: Wie man Wein aussucht. Dieser Tropfen hier -« er hob das Glas mit dem Wein ans Licht und betrachtete es - »hat, ich freue mich, es sagen zu können, hervorragendes Gefühl, ausgezeichneter Körper, exzellentes Bouquet und am Ende einen angenehmen Abgang. Fünfzig Pfund pro Flasche, vielleicht? Oder mehr? Na, ist ja auch egal. Er passt jedenfalls perfekt zu deinem Essen. Probier einen Schluck.«
    Sie lächelte. »Wenn ich es nicht besser wüsste, hätte ich den Verdacht, du wolltest mich betrunken machen.«
    »Dann schon eher vergiften«, sagte Adrian. »Um ein Vermögen zu erben, das nicht existiert. Ich nehme doch an, dass auch du mich nicht als Erben eingesetzt hast.«
    »Es tut mir wirklich Leid, mein Junge«, sagte Ruth wieder. Und als er ihr den Wein aufdrängen wollte: »Ich kann nicht. Meine Tabletten... Die Mischung täte mir nicht gut.«
    »Ach so.« Er stellte das Glas ab. »Keine Lust, mal ein bisschen über die Stränge zu schlagen?«
    »Das habe ich immer deinem Vater überlassen.«
    »Tja, und wohin hat's ihn gebracht?«, sagte Adrian.
    Ruth senkte den Blick und spielte mit ihrem Besteck. »Er fehlt mir.«
    »Das kann ich verstehen. Komm, iss ein bisschen Fleisch. Es schmeckt sehr gut.«
    Sie sah ihn an. »Hast du es probiert?«
    »Niemand kocht wie Valerie. Iss, Tante Ruth. Ich lass dich nicht aus

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