12 - Wer die Wahrheit sucht
Fuß gesetzt? Warum hat er beide - Cherokee und China - aufgefordert, die Insel zu verlassen?«
»Ich nehme an, er hat neue Spuren«, antwortete St. James. »Einen Hinweis, der eine andere Person belastet.«
»Du hast ihm nichts von dem Bild erzählt?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Die Person, die dem Anwalt in Tustin das Bild zum Versand nach Guernsey lieferte, war nicht Cherokee River, Deborah. Sie hatte keinerlei Ähnlichkeit mit Cherokee River. Er hat mit der Sache nichts zu tun.«
Paul Fielder hatte die Hand noch nicht auf den Knauf gelegt, da riss sein Bruder Billy schon die Tür des Reihenhauses in Le Bouet auf. Er hatte offensichtlich auf Pauls Rückkehr gewartet. Wahrscheinlich hatte er im Wohnzimmer vor der Glotze gesessen, geraucht und sein Lager getrunken und die anderen Kinder angeschrien, sobald sie sich in seine Nähe gewagt hatten, dass sie ihn gefälligst in Ruhe lassen sollten. Und dazwischen hatte er immer wieder zum Fenster rausgeschaut und auf den Moment gewartet, wo Paul den holprigen Weg heraufkommen würde. Als er Paul kommen sah, hatte er sich an die Haustür gestellt, um ihn als Erster in Empfang zu nehmen.
Noch bevor Paul ins Haus getreten war, sagte Billy: »Na, das ist aber 'ne Überraschung. Der kleine Schleimscheißer ist wieder da. Sind die Bullen mit dir fertig, Wichser? Haben sie's dir richtig gegeben, da oben im Knast? Ich hab gehört, das sollen sie am besten können, die Bullen.«
Paul drängte sich an ihm vorbei. Von oben hörte er seinen Vater rufen: »Ist das Paulie?«, und aus der Küche rief seine Mutter: »Paulie? Bist du das, Junge?«
Paul blickte zur Treppe und zur Küche und wunderte sich, dass seine Eltern um diese Zeit beide zu Hause waren. Sein Vater kam von seinem Job beim Straßenbau normalerweise erst heim, wenn es dunkel wurde, und seine Mutter machte Überstunden an der Kasse, wann immer sich die Gelegenheit dazu bot, und das war meistens der Fall. Deshalb war das Abendessen im Allgemeinen eine improvisierte Angelegenheit. Man nahm sich eine Dose Suppe oder Baked Beans und machte sich vielleicht einen Toast. Jeder versorgte sich selbst, außer den Kleinen. Für die bereitete Paul meistens irgendwas zu.
Er wollte zur Treppe, aber Billy hielt ihn auf. »Hey«, sagte er. »Wo ist der Hund, Wichser? Wo ist dein ständiger Begleiter, hm?«
Paul zögerte. Sofort packte ihn die Angst. Er hatte Taboo seit dem Morgen nicht mehr gesehen, als die Polizei gekommen war. Hinten im Streifenwagen sitzend, hatte er sich herumgedreht, weil Taboo ihnen nachrannte. Er hatte unablässig gebellt. Er war ihnen hinterhergerannt, als wollte er sie unbedingt einholen.
Paul schaute sich um. Wo war Taboo?
Er kniff die Lippen zusammen, um zu pfeifen, aber sein Mund war zu trocken. Er hörte seinen Vater die Treppe herunterkommen. Im selben Moment kam seine Mutter aus der Küche. Sie trug eine Schürze mit einem Ketchup-Fleck und wischte sich die Hände an einem Handtuch ab.
»Paulie«, sagte sein Vater mit ernster Stimme.
»Junge«, sagte seine Mutter.
Billy lachte. »Er ist überfahren worden. Der blöde Köter ist überfahren worden. Erst von einem Auto und dann von einem LKW, und er ist einfach weitergerannt. Am Schluss hat er am Straßenrand gelegen und geheult wie eine Hyäne. Er hat nur noch darauf gewartet, dass einer kommt und ihm die Kugel gibt.«
»Das reicht, Bill«, fuhr Ol Fielder seinen Ältesten an. »Geh, zisch ab ins Pub oder wo du sonst hingehen wolltest.«
Billy sagte: »Ich wollte nirgends -«
Mave Fielder schrie: »Du tust, was dein Vater sagt. Auf der Stelle!« Es war ein wütendes Kreischen, so untypisch für Pauls sanftmütige Mutter, dass ihr ältester Sohn sie mit offenem Mund anstarrte, bevor er zur Tür schlurfte und seine Jacke nahm.
»Blödes Arschloch«, sagte er zu Paul. »Du kannst wirklich gar nichts. Nicht mal um einen dämlichen Köter kannst du dich kümmern.« Er stürmte in die Nacht hinaus und schlug die Tür hinter sich zu. Paul hörte noch, wie er höhnisch lachte und laut sagte: »Fahrt doch alle zur Hölle, ihr Nieten.«
Aber was Billy sagte oder tat, konnte ihn gar nicht berühren. Er taumelte ins Wohnzimmer, aber er sah nichts als Taboo. Taboo, wie er hinter dem Streifenwagen herrannte. Taboo am Straßenrand, tödlich verwundet, aber bellend und knurrend, so dass niemand sich an ihn heranwagte. Es war alles seine Schuld, weil er die Polizisten nicht angeschrien und ihnen gesagt hatte, sie sollten anhalten und den Hund ins Auto
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