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12 - Wer die Wahrheit sucht

12 - Wer die Wahrheit sucht

Titel: 12 - Wer die Wahrheit sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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angesprochene Constable hatte eine starke Lampe bei sich, die das Gelände mit Licht überflutete. St. James stöhnte - vom Haus aus konnte man den Lichtschein bestimmt sehen. Aber wenigstens hatten sie den Übergang über die Mauer glücklich gewählt: keine zehn Meter zu ihrer Rechten konnten sie einen Pfad erkennen, der über die Koppel führte.
    »Ausmachen!«, befahl Le Gallez, als er das gesehen hatte. Das Licht erlosch. Le Gallez ging voraus und bahnte den Männern, die ihm folgten, den Weg. Die Dunkelheit war ein Segen und ein Fluch zugleich. Sie war schuld daran, dass sie den Trampelpfad zur Mitte der Koppel nicht auf Anhieb gefunden hatten, sondern zuerst einmal in unwegsamer Wildnis gelandet waren. Aber sie verbarg sie jetzt auf dem Marsch zum Hauptweg, der bei Mondschein nur allzu deutlich sichtbar gewesen wäre.
    Der Dolmen war so, wie Deborah ihn St. James beschrieben hatte. Er erhob sich in der Mitte der Koppel, als wären vor Generationen mehrere Morgen Land eigens zu dem Zweck abgegrenzt worden, ihn zu schützen. Für das unerfahrene Auge sah er aus wie ein schlichter Erdhügel, der aus unerklärlichem Grund mitten auf diesem verwilderten Feld emporragte. Aber jemand, der einen Blick für Spuren früher Geschichte besaß, hätte ihn näherer Erforschung für wert befunden.
    Um ihn herum führte ein schmaler Weg, der aus dem umgebenden Wildwuchs herausgeschlagen worden war. Knapp sechzig Zentimeter breit, umschrieb er die Rundung des Hügels, und die Männer folgten ihm, bis sie zu der dicken Holztür mit dem Vorhängeschloss gelangten.
    Le Gallez hielt an. Wieder schaltete er seine kleine Taschenlame ein und richtete den Strahl zuerst auf das Schloss, dann auf Farn und Gestrüpp. »Keine gute Deckung«, sagte er leise.
    Das stimmte. Wenn sie dem Killer hier auflauern wollten, würde das nicht einfach werden. Aber sie brauchten sich andererseits, um sich zu verstecken, nicht weit von dem Dolmen zu entfernen, da die Vegetation so dicht war, dass sie reichlich Deckung bot.
    »Hughes, Sebastian, Hazell«, sagte Le Gallez mit einer Kopfbewegung zum Feld hin. »Kümmern Sie sich darum. Sie haben genau fünf Minuten. Ich will Zugang, aber in voller Deckung. Und still, um Himmels willen. Wer sich das Bein bricht, weint leise. Hawthorne, Sie sind drüben an der Mauer. Sobald einer drübersteigt, geben Sie Zeichen. Ich hab meinen Piepser auf Vibration gestellt. Alle anderen: Handy aus, Piepser aus, Funk aus. Keiner redet, niest, rülpst oder furzt. Wenn wir das vermasseln, können wir wieder von vorn anfangen, und ich fände das nicht lustig. Verstanden? Dann los.«
    Ihr Vorteil war, das wusste St. James, die Zeit. Es schien zwar finsterste Nacht zu sein, aber es war noch nicht spät am Abend.
    Dass der Mörder sich vor Mitternacht zum Dolmen wagen würde, war unwahrscheinlich. Zu groß war vorher das Risiko, auf dem Gelände jemandem zu begegnen und erklären zu müssen, warum man ohne Licht in der Dunkelheit herumstolperte.
    St. James war deshalb sehr erstaunt, als er keine Viertelstunde später Le Gallez mit einem unterdrückten Fluch sagen hörte: »Hawthorne hat draußen jemanden gesichtet. Scheiße. So ein gottverdammter Mist.« Zu den Constables, die etwa fünf Meter von der Tür zum Dolmen entfernt immer noch im Gestrüpp herumtrampelten sagte er: »Hey, ich hab gesagt, fünf Minuten. Wir kommen jetzt.«
    Er ging voraus, und St. James folgte. Die Männer hatten es geschafft, im Unterholz ein abgeschirmtes Fleckchen von der Größe einer Hundehütte zu lichten. Es bot zwei Beobachtern Platz. Fünf quetschten sich hinein.
    Die Person, die der Mann an der Mauer gesichtet hatte, näherte sich rasch und zielstrebig, überstieg ohne einen Moment des Zögerns die Mauer und schlug den Trampelpfad zum Dolmen ein. Sehr bald konnten sie in der Dunkelheit eine noch dunklere Gestalt ausmachen. Ein stetig länger werdender Schatten auf dem Farn, der den Hügel bedeckte, zeigte eine Sicherheit der Bewegung, die verriet, dass die unbekannte Person mit diesem Ort vertraut war.
    Plötzlich war eine Stimme zu hören, leise, aber klar und deutlich. »Simon? Wo bist du?«
    »Was, zum Teufel...«, knurrte Le Gallez.
    »Ich weiß, dass du hier bist, und ich gehe nicht weg«, verkündete Deborah unmissverständlich.
    St. James stieß einen Seufzer aus, der halb Fluch war. Er hätte das in Betracht ziehen müssen. »Sie ist dahinter gekommen«, sagte er zu Le Gallez.
    »Ach nein?«, erwiderte Le Gallez mit bitterer Ironie.

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